Norbert Traweeg über eine Zeit, als Zwerge noch Zwerge waren.
Es waren einmal – muss so ungefähr Mitte der Siebziger gewesen sein – Zwerge noch Zwerge, ein Paar Sachen noch heilig, und Kulturhauptstädte oder Krisen weit und breit unbekannt. – Vielleicht weil ich erst vier oder fünf Jahre alt und meine geliebte Oma noch am Leben war. Und somit eine besonders adäquate Konstellation gegeben war, um unvergessliche Höhepunkte zu schaffen: Einer meiner unauslöschlichen Glückserinnerungsspeicherplätze wird auf ewig durch den heiligen Berg besetzt sein, pardon, früher hat man Pöstlingberg zu ihm gesagt und die Märchenwelt war nur in der Grottenbahn und nicht auch in der Stadt, die ihr zu Füssen liegt. Am frühen Morgen ging es vom heimatlichen Bahnhof Bad Schallerbach mit einem jener legendär zugigen und ratternden Züge in die ferne Landeshauptstadt. Die Aufregung war nicht nur mir, sondern offensichtlich auch meiner Oma anzusehen, die trotz ihres fortgeschritteneren Alters nicht an Zugfahrten und weder an Klein- oder Großstädte gewohnt war. Kurz nach der Abfahrt wurden sogleich die mitgebrachten Jausenbrote und Sunkist-Packerl ausgepackt, die sich bei der Einfahrt in den 13 Kilometer entfernten Welser Bahnhof schon in Luft, Magen und Müll aufgelöst hatten. Die nächsten Aufregungen waren dann der Ausstieg am Linzer Bahnhof, der Wiedereinstieg in die Straßenbahnlinie 3 und davor das besonders schweißtreibende ordnungsgemäße Beschaffen der notwendigen Fahrkarten am ESG-Automaten. Angekommen am Bergbahnhof in Urfahr, bewegte uns die Pöstlingbergbahn nach oben und meine Oma begann sich sichtlich zu entspannen. Der Gipfelsieg nahte. Bevor es aber in die Grottenbahn ging, musste ich noch einen Wallfahrtsbesuch in der Pöstlingbergkirche absolvieren, und auf großmütterliches Geheiß ein Kerzerl anzünden. Danach kam endlich die Fahrt in der Grottenbahn – links, rechts, dann allumstrahlt, hinab in den Keller die Würstelfrau zwergerlschnäuzen, hinauf ins Wirtshaus zum Schnitzel mit Almdudler, daneben beim Souvenirladen noch schnell ein Schießgewehr abstauben, wieder talabwärts, quer durch die Stadt zum Bahnhof und von dort heim nach Schallerbach. Heutzutage gibt es die Zwerge schon in meinem Heimatort: In der heurigen Landesgartensschau steht der größte Gartenzwerg der Welt. Der 25 Meter hohe »Grasi« ist nicht nur eine gewaltige Contradictio in adiecto, sondern auch dazu da, Kindern als Hüpfburg zu dienen. Ja, ja, früher als die Zwerge noch Zwerge waren, war sogar die Zukunft besser oder fand zumindest irgendwann zu ihrer Gegenwart.