Freie Lizenzen und besondere Vereinbarungen

Juliane Alton über creativ commons.

 

Individuelles und kollektives Wissen sowie seine Organisation ist die wichtigste Grundlage sozialen und ökonomischen Zusammenlebens. Doch woher kommt dieses Wissen und wie kann es organisiert werden?

Wissensproduktion findet ständig und vielerorts statt: z.B. an den spezifischen öffentlichen Organisationen wie Universitäten, aber auch im halböffentlichen und privaten Bereich: jede Kulturinitiative produziert Wissen und stellt dieses meist in vollem Umfang öffentlich zur Verfügung, doch auch Anwaltskanzleien und private Firmen betreiben Wissensproduktion, wobei sie die Ergebnisse teilweise oder gar nicht öffentlich zur Verfügung stellen.

Wenn öffentlich finanzierte Einrichtungen (z.B. Universitäten) die Ergebnisse ihrer Arbeit nicht zur Verfügung stellen, darf hinterfragt werden, wer denn diese Ergebnisse nutzen darf – schließlich ist die Öffentlichkeit Financier und indirekt auch Auftraggeber, selbst wenn Drittmittel beteiligt sind.

Doch wie sieht es aus, wenn die Bundestheater ein Softwareunternehmen damit beauftragen, ein Ticketingsystem zu entwickeln und internetfähig zu installieren? Da werden Informationen und Wissen mittels öffentlicher Gelder entwickelt und organisiert. Doch wer verwendet die Ergebnisse – außer den Bundestheatern?

Und wie ist es zu sehen, wenn eine Filmproduktionsfirma mit Geldern des (öffentlich finanzierten) Österreichischen Filminstituts einen Film herstellt? Wem gehören die Urheberrechte am Film bzw. wer hat zumindest einen moralischen Anspruch darauf? Oder wenn ein/e Künstler/in im Rahmen eines Förderstipendiums ein Werk erarbeitet – wem gehört dieses Werk?

All diese Fragen wären prinzipiell leicht zu beantworten. Die Öffentlichkeit hat ein immenses Interesse daran, dass es eine umfangreiche Wissens- und Kulturproduktion gibt und deren Ergebnisse auch allen Menschen zur Verfügung stehen, das ist ja der wichtigste Impuls der öffentlichen Fördertätigkeit. Insofern müsste das Werknutzungsrecht öffentlich finanzierter Werke bei der »Öffentlichkeit« liegen. Doch auch das Urheberrechtsgesetz beantwortet die Frage indirekt, wie hier am Beispiel von Software und Film gezeigt werden soll:

§ 40b. Wird ein Computerprogramm von einem Dienstnehmer in Erfüllung seiner dienstlichen Obliegenheiten geschaffen, so steht dem Dienstgeber hieran ein unbeschränktes Werknutzungsrecht zu, wenn er mit dem Urheber nichts anderes vereinbart hat. (Hervorhebung J. Alton)

Computerprogramme sind laut Definition des Urheberrechtsgesetzes »Werke der Literatur« und genießen als solche vollen urheberrechtlichen Schutz. Nun ist die Situation Dienstnehmer_in – Dienstgeber_in in künstlerischen und kulturellen Zusammenhängen vielleicht nicht die übliche. Doch die Intention ist klar: wenn jemand für’s Programmieren bezahlt wird und ein Dienstgeber alle Mittel bereitstellt (bis auf das Wissen im Kopf der Dienstnehmer_in), dann gehören dem Dienstgeber die Werknutzungsrechte. Ähnlich war auch die urheberrechtliche Regelung betreffend den gewerblich hergestellten Film im Jahr 1936 gedacht: weil Filmproduzenten ihr privates Kapital einsetzen und mit großem unternehmerischen Risiko Filme produzieren, gehört auch ihnen das uneingeschränkte Nutzungsrecht – nicht etwa den Filmurheber_innen. Letzteres gilt nach wie vor, wenn auch heute in der österreichischen Filmproduktion kaum ein Euro privates Kapital steckt.

Doch zurück zur freien Lizenz: die Stadt Linz belohnt seit kurzem Fördernehmer_innen, die ihre Werke unter einer freien Lizenz öffentlich zur Verfügung stellen mit 10% zusätzlicher Förderung (siehe KUPF-Zeitung 129 vom März 09, S. 12). Sie reflektiert also das öffentliche Interesse an öffentlich zugänglichem Wissen bzw. Kulturproduktion, indem sie Anreize zur freien Lizenzierung schafft. Ein kluger Schritt, denn er verbreitert die Basis, auf der weiter geschaffen und produziert wird. Kreative schaffen Neues immer auf der Basis von bereits Vorhandenem. Künstler_ innen und Kulturschaffende sind (neben Kritiker_innen) die intensivsten Kulturrezipient_ innen und natürlich auch –verarbeiter_ innen. Insofern sind sie keineswegs nur (finanzielle) Nutznießer_innen eines strengen Urheberrechts, sie sind auch diejenigen, die unter seinen Restriktionen am eisten leiden. Größte finanzielle Nutznießer/innen sind im Übrigen nicht die Künstler_innen selbst sondern die Medienindustrie (die sich derzeit wieder auf der EU-Ebene für die Verlängerung der Schutzfrist für Tonträger stark macht).

Freie Lizenzen (»Lizenz« bedeutet wörtlich »Erlaubnis«) haben jedoch nicht nur den Vorteil, dass die Basis des öffentlich zugänglichen Kulturschatzes verbreitert wird. Freie Lizenzen sind auch ein Geschäftsmodell für Künstler_innen und Kulturschaffende. Bereits jetzt sind hunderte Millionen von aktuellen Werken zum kostenlosen Gebrauch im Internet auffindbar, wobei einige Suchmaschinen die gezielte Suche nach frei lizenzierten Werken unterstützen. Dabei handelt es sich auch um Werke bekannter Künstler/innen, auch um regelrechte Hits. Niemand schreibt den Künstler/innen vor, ob und welche Werke sie frei lizenzieren und welche konkrete Lizenz sie dafür verwenden. Oftmals veröffentlichen sie nur einzelne Werke oder Teile von Werken frei. Und das Wort »frei« hat in diesem Zusammenhang viele Aspekte.

Allein Creative Commons, worauf die Stadt Linz verweist, bietet vier verschiedene »freie«Lizenzen an, welche für die österreichische Rechtsordnung adaptiert sind: Attribution: hier ist die einzige Nutzungsbedingung, dass der Name der ursprünglichen Urheber/in genannt wird (bzw. die von ihr gewählte Bezeichnung). – Share Alike: ein abgeleitetes Werk muss zu gleichen Bedingungen lizenziert sein wie das Ursprungswerk. – Non Commercial: keine gewinnorientierte (gewerbliche) Nutzung des Werkes ist (ohne weitere Nachfrage) erlaubt. – No Derivative Works: das Werk darf verwendet, aber nicht bearbeitet werden. Es kann also gezeigt, abgespielt etc. werden, doch nicht gekürzt, eingebaut, erweitert.

Dass die Verwertungsgesellschaften in Österreich noch keinen Weg gefunden haben, ihren Bezugsberechtigten die Nutzung freier Lizenzen zu ermöglichen, spricht nicht für deren Flexibilität. Derzeit übergibt ein/e Künstler/in, die ihren Anteil an den gesetzlichen Vergütungsansprüchen (für Radiosendung, Kopieren, Kabelweiterleitung…) erhalten möchte, der spartenspezifischen Verwertungsgesellschaft ein dickes Bündel von Rechten an all ihren bestehenden und künftigen Werken. Es ist normalerweise nicht möglich, ein bestimmtes Werk als Werbemedium für die eigene Person frei zu lizenzieren. Allerdings enthält das Vertragsformular einiger Verwertungsgesellschaften neuerdings die Rubrik »Besondere Vereinbarungen «. Warum nicht diese Möglichkeit für Zwecke der freien Lizenzierung nutzen?

Quellen: www.creativcommons.org http://creativecommons.at/tutorial/copywhat/urheberrecht

Die Autorin veröffentlicht ihre Texte, die einen Teil ihres Lebensunterhalts ausmachen, unter cc Attribution, share alike auf http://juliane.alton.