Kunst- und Kultur im temporären Arbeitsmuseum – besucht von David Guttner
Ein paar kleine Häuser, zu beiden Seiten einer kurzen Sackgasse, verbunden oder getrennt von schmalen Vorgärten, die von niedrigen Hecken umsäumt sind und auf denen vereinzelt ein paar Bäume stehen.
Alles wirkt eigenartig verkleinert, beinahe gedrückt und etwas heruntergekommen, bedrückend oder verwahrlost aber nicht. Die Siedlung kann leicht übersehen werden. An der Peripherie Trauns gelegen, finden sich in der näheren Umgebung ein größeres Autohaus, ein Friedhof (auf dem unlängst 90 islamische Gräber geschändet wurden) und eine Trinkerheilanstalt (korrekter wäre wohl das Therapiezentrum Traun für Alkohol- und Medikamentenabhängige). So man etwas davon sucht.
Nach dem 2. Weltkrieg entstand sie, die Hammerwegsiedlung. Eine klassische Arbeitersiedlung zwar, aber doch anders, eben im Kleinformat. Die Häuser in Einfamiliengröße waren für je vier Parteien konzipiert. Vier Parteien, das bedeutete zumeist vier Familien, und die waren durchwegs kinderreich. Für bis zu elf Menschen standen 38m² – 50 m² zur Verfügung, die Angaben darüber gehen auseinander.
Die Raumaufteilung der Hammerwegwohnungen ist aber immer die gleiche: beginnend mit einem kleinen Vorraum, von dem man in ein winziges Badezimmer mit Klo, vor allem aber in die Wohnküche gelangen kann. Dieser ca. 15 m² große Raum spiegelt sich noch einmal in ein Schlafzimmer, durch das man gehen muss, will man in ein daran angeschlossenes Kabinett gelangen. Die Wände am Hammerweg sind dünn. Was sich nicht nur in Hellhörigkeit, sondern auch in winterlicher Kälte und Feuchte ausdrückt.
Die Wohnungen waren ohne Zentralheizung, warmes Wasser, Duschgelegenheit oder Badewanne angelegt, ein Gemeinschaftsbad mit Wanne und Ofen wurde im Keller untergebracht. Veränderungen dieses Substandards wurden wenn, dann durchwegs von den MieterInnen in Eigenregie angegangen. Vor einigen Jahren wurden Pläne bekannt, die Häuser zu schleifen, zeitgleich begann die schleichende Verwaisung der Hammerwegsiedlung. Mittlerweile ist nur mehr eine Handvoll der Wohnungen bewohnt, ein Haus steht bereits leer, ein anderes musste einem Neubau weichen. Der Altersschnitt am Hammerweg ist hoch: 1958 wohnten in der Arbeitersiedlung 68 Kinder mit ihren Familien, heute lebt kein einziges Kind mehr dort.
Eines dieser Kinder war Alenka Maly. Sie wuchs mit ihrer Familie in den 1970er und 80er Jahren am Hammerweg auf, von 1994 bis 2004 bezog sie noch einmal, diesmal aus eigenen Stücken, dort Quartier. Die Filmemacherin Maly ist eine derjenigen, die sich mit einem gewissen Stolz als »Hammerweglerin« bezeichnet.
Das mag auch daran liegen, dass die auf den ersten Blick bedrückenden Lebensbedingungen am Hammerweg eben nicht nur solche waren: durch die engen Verhältnisse entwickelte sich ein soziales Gefüge, das sich deutlich von dem größerer Arbeitersiedlungen unterschied: ob man wollte oder nicht – man kannte einander, und das ermöglichte, je nach persönlicher Anpassungsfähigkeit, ein Zusammengehörigkeitsgefühl, das die Heranwachsenden untereinander und im speziellen mit dem Hammerweg verbinden sollte.
Hammerweg – Kunst und Alltag im temporären Arbeitermuseum Vor mehr als einem Jahr nun hat Alenka Maly beschlossen, dem langsamen Sterben der Siedlung nicht tatenlos zusehen zu wollen: Die Idee, am Hammerweg ein temporäres Museum einzurichten, war gemeinsam mit der Schriftstellerin Eugenie Kain und dem Regisseur Joan Toma entstanden. Im Sommer 2007 folgte die Einreichung bei Linz ‘09, die Ablehnung folgte postwendend. Für die Finanzierung galt es also andere Wege zu finden: öffentliche und private Mittel wurden lukriert, das Hammerweg-Budget war aber dennoch bescheiden. Die meiste Arbeit blieb in Folge ehrenamtlich.
Von einigen KünstlerInnen (alle mit einem mehr oder weniger intensiven Bezug zum Hammerweg) wurden die leer stehenden Wohnungen adaptiert, Lebensräume nachgebaut, Alltagsgegenstände ausgestellt, die Erinnerungen und Lebenswelten der HammerweglerInnen sicht-, hör-, riech- und angreifbar gemacht. Das Ergebnis dieser Arbeit ist beachtlich: Der persönliche Blickwinkel auf ein selten dokumentiertes Stück Alltagsgeschichte ermöglichten Alenka Maly und ihren MitstreiterInnen einen auch formal überzeugenden Zugang, der zwar mitunter sentimental, aber niemals verklärend ist. Zu Allerheiligen ging die weit über Traun hinaus beachtete Ausstellung zu Ende.
Einer der letzten Besucher am Hammerweg nahm sich zweieinhalb Stunden Zeit, zeigte sich sehr beeindruckt und tief bewegt. Sein Name: Martin Heller.