Wenn die Tabakwerke 2010 leer stehen werden, bietet sich der Stadt Linz die Chance, ihrem Etikett der Kulturstadt dauerhaft gerecht zu werden. Von Thomas Diesenreiter.
Im April dieses Jahres wurde publik, dass die Stadt Linz das Areal der Austria-Tabakwerke erwerben möchte, welche Ende 2009 ihre Pforten in Linz schließen werden. Anlass genug, sich Gedanken über die Nutzung des 80.000m² großen Industriegebäudes zu machen, welche sich in einem ersten Konzeptpapier manifestierten. Mit dieser Diskussionsgrundlage wurde nun versucht, eine möglichst breite Basis an UnterstützerInnen und Unterstützern aufzubauen, denn mittlerweile war klar, dass auch die Stadt Linz ähnliche Pläne hegte. Doch unser Anspruch war, dass gerade jene, welche das Gebäude später nutzen sollten, auch in die Konzeptionsphase eingebunden werden müssen.
Als die Initiative „Kulturquartier Tabakwerke“ Anfang August das erste Mal an die Öffentlichkeit trat, war das mediale Echo enorm: Wir konnten uns über mehr als 25 Presseberichte freuen. Dies zeigte das rege Interesse an dem Thema, und bestärkte uns in unserem eingeschlagenen Weg.
Unser Anspruch war primär, die Defizite der städtischen Infrastruktur zu diskutieren, beispielhaft sei hier die Proberaumsituation, die Lage der unabhängigen Theatergruppen oder die marode Galerienszene genannt. Weiters versuchten wir, Schnittmengen zwischen den einzelnen Nutzungsmöglichkeiten mitzudenken, also welche Vorteile die räumliche Nähe erzeugen kann, und wie man diese auch zum Tragen bringt. Die Frage ist: Wie kann eine Struktur aussehen, die einerseits die größtmögliche Freiheit für die NutzerInnen garantiert, andererseits die nötige Unterstützung des politischen Umfelds bietet? Diese Gratwanderung zwischen Zugeständnissen an die Realpolitik und einem visionären Feldversuch gilt es zu meistern.
Und gerade in diesem Punkt stellt sich der Stadt Linz die große Herausforderung, denn nur durch die Einbindung der Kulturszene selbst kann es gelingen, ein funktionsfähiges Konzept zu entwickeln. Das Endresultat wird sicherlich keine homogene Nutzung des riesigen Areals sein, sondern sowohl kulturelle als auch wirtschaftliche Nutzungen, vielleicht auch Bildungseinrichtungen umfassen. Und gerade deshalb ist es wichtig, ein Gesamtkonzept zu entwickeln, welches die verschiedenen Bereiche bedenkt und verknüpft, und natürlich die nötigen Experten an einen Tisch holt. Besonders ist es nötig, die KünstlerInnen nicht als Anreicherung zum Ganzen zu sehen, welche wirtschaftlich agieren müssen, wie es leider derzeit oft diskutiert wird, siehe Creative Industries. Vielmehr müssen wir den nötigen Freiraum und die Freiheit schaffen, möglichst unabhängig von monetären Zwängen arbeiten und sich entfalten zu können. Dies sollte nicht mit Gratisnutzung oder Raum auf Lebenszeit gleichgesetzt werden, sondern als Modell verstanden werden, ein möglichst kreatives Umfeld zu schaffen, welches auch für zukünftige Entwicklungen offen steht und sich selbst wieder neu erfinden kann. Es kann keine Festschreibung eines Status Quo sein, sondern es muss die Möglichkeit bestehen bleiben, das Konzept zu hinterfragen und weiter zu entwickeln – und dies kann nur durch eine Bewegung von unten, nicht durch eine Führung von oben passieren.
Das Kulturquartier Tabakwerke soll eine Bereicherung für das kulturelle Leben der Stadt darstellen, den Nährboden für zukünftige Entwicklungen bieten können und eine Ergänzung zum bereits vorhandenen Kulturangebot sein. Wir sehen uns nicht als Konkurrent zu anderen Initiativen; umso mehr freut uns die bereits starke Unterstützung jener, welche bereits über eigene Infrastrukturen verfügen. Nun gilt es noch, die EntscheidungsträgerInnen von unserer Idee zu überzeugen.
Unser Ziel ist nun, den gestarteten Diskussionsprozess weiterzuführen und in den kommenden Monaten eine Diskussionsreihe zu gestalten, welche sich mit inhaltlichen Themen beschäftigt. Diese halb-öffentlichen Workshops werden aus Mitgliedern der freien Szene und (inter-)nationalen Gästen aus den jeweiligen Fachbereichen besetzt sein. Die Gespräche sollen qualitativ gut aufbereitet werden, Best-Practice-Modelle diskutieren und versuchen, Visionen eines lebendigen, kulturellen Umfeldes für die Stadtregion Linz zu entwerfen. Auf Grundlage der gesammelten Unterlagen und der Workshop-Ergebnisse wird eine Publikation erstellt und allen UnterstützerInnen und TeilnehmerInnen zugesandt. Diese bietet auch die Basis für eine öffentliche Diskussion mit den Entscheidungsträgern.
Das Team des Kulturquartiers Tabakwerke freut sich über jede Diskussion, Anregung, Rückmeldung und Unterstützung entweder per E-Mail unter: office@kuqua.at oder über unsere Homepage http://www.kuqua.at
Thomas Diesenreiter ist Mitgründer der Initiative Kulturquartier Tabakwerke und im Vorstand der Kulturvereine Backlab und Servus.at tätig.