Irgendwann muss endlich begonnen werden, die eklatanten ökonomischen Ungleichgewichte zwischen Frauen und Männern zu beenden, meint Andrea Mayer-Edoloeyi.
Am 9. April 2008 wurde auf Einladung von FIFTITU% zum Thema Gender Budgeting diskutiert. Eingeladen waren Dr.in Birgit Buchinger, Gender-Budgeting-Expertin und Reg.Rat Peter Rieder, der beim Land Oberösterreich für die Umsetzung dieses Themas zuständig ist.
Was ist denn das schon wieder? – Gender Budgeting? Hier geht es darum, die Erkenntnis, dass öffentliche Budgets die gesellschaftlichen, sozialen und ökonomischen Prioritäten verkörpern, in die Praxis umzusetzen. Gender Budgeting ist die Integration des Zieles der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern in die Haushaltspolitik. Insofern hat Gender Budgeting eine Nähe zum Gender Mainstreaming, dass ebenfalls ein Top-Down- Konzept ist, d.h. das seitens der obersten EntscheidungsträgerInnen Ziele festgelegt werden und diese dann innerhalb von Organisationen bzw. in der öffentlichen Verwaltung umzusetzen sind. Ab 2009 tritt eine Haushaltsreform in Österreich in Kraft: Gender Budgeting ist verpflichtend für Bund, Länder und Gemeinden in der österreichischen Bundesverfassung verankert. Das Land Oberösterreich hat sich im Zuge eines EU-Projektes mit dem Thema Gender Budgeting beschäftigt, dessen Ergebnisse werden nun in die Praxis umgesetzt. Ein Leitfaden wurde entwickelt, wie einzelne Bereiche der Verwaltung Gleichstellungsziele in ihre Haushaltspraxis implementieren können. Das ganze ist Teil der Umstellung auf eine wirkungsorientierte Verwaltung.
Gut und schön. Dass übers Geld Macht und Beteilungsmöglichkeiten verteilt werden, ist nun wirklich nicht neu. Neu an Gender Budgeting ist, dass hier Nägel mit Köpfen gemacht werden und zu hoffen ist, dass wenigstens Teile der Sonntagsreden mancher PolitikerInnen in die Praxis der öffentlichen Verwaltungen einfließen. Es wird in einigen Jahren zu fragen sein, was da wirklich daraus geworden ist. Schwierig wird das ganze Konzept aber auch schon jetzt, wenn genauer nachgefragt wird: welche Nägel, welche Köpfe? Am Diskussionsabend wurde von vielen konkreten Beispielen gesprochen, von mehr Männern als Volksschullehrern, mehr Kinderbetreuungseinrichtungen und einer gerechteren Verteilung des Geldes zwischen Künstlerinnen und Künstlern. Da entstand durchaus der Eindruck, dass hier konkret und differenziert an Fragen der Geschlechterdemokratie herangegangen wird. Aber es bleibt die offene Frage, der schale Nachgeschmack: werden die BeamtInnen des Landes, die Gender Budgeting dann an der Basis wirklich umsetzen müssen, diesen Grad an Veränderungswillen und Fähigkeit zur Aufgabe von tradierten Rollenmustern (der Klassiker: warum sind denn Kinder immer ein Frauenthema?) haben, wie es uns dieser Prozess vermitteln möchte? Wer mehr oder minder regelmässig BeamtInnen trifft, wird wohl meine Skepsis verstehen: auch wenn die Vorgaben von ganz oben kommen, können die Mühen der Ebene wirklich belasten und da hilft auch ein Tag Gender-Training nur bedingt.
Euphorie!? Aus realistischer Distanz betrachtet löst das Thema Gender Budgeting bei mir keine Euphorie aus. Ähnlich wie mit Gender Mainstreaming kommt es erstens auf die Konkretisierung an und zweitens besteht die Gefahr, dass es zum Alibi wird. Ich möchte nur daran erinnern, dass wir uns alle gefreut haben, dass das Land Oberösterreich jetzt endlich Gender Mainstreaming macht. Der einzig sichtbare Output nach einigen Jahren war dann eine Broschüre zum geschlechtersensiblen Sprachgebrauch. Naja, …
Ein weiterer Blick: Gender Budgeting steht im Kontext des Umbaus der öffentlichen Verwaltungen, im Kontext der Anpassung der öffentlichen Verwaltung an die neoliberalen Strukturen der Privatwirtschaft, in Neudeutsch: New Public Management. Wohl geht es dabei um einige durchaus vernünftige Veränderungen, aber die Vorzeichen dieser Veränderungen sind klar gesetzt. Und mit diesem geweiteten Blick, gilt es dann wirklich zu fragen, ob Adorno recht hat, der sagt »Es gibt kein Richtiges im Falschen«.
Aber: irgendwann muss endlich begonnen werden, die eklatanten ökonomischen Ungleichgewichte zwischen Frauen und Männern zu beenden. Gender Budgeting heftet sich diesen Anspruch bezogen auf öffentliche Budgets auf die Fahnen. Es wird viel reflexive Distanz, aber noch mehr Druck seitens feministischer Organisationen brauchen, dass diese grundsätzlich begrüßenswerten Zielvorgaben im Zentrum bleiben und nicht erschlagen werden von Mühen der Ebene oder nur noch Ideologievermittlungsinstrument sind im Zuge des neoliberalen Umbaus der Gesellschaft.
Andrea Mayer-Edoloeyi, Kulturarbeiterin und Erwachsenenbildnerin, Vorstand von KUPF und KUPFakademie.