– ist nicht der Name des Beitrags der kleinen Tourismusgemeinde Strobl zur oberösterreichischen Landesausstellung 2008 im Salzkammergut. Obwohl er es ist. Von David Guttner.
Unter dem, laut den AusstellerInnen ‚prägnanten’ Titel Salzkammergut, findet die diesjährige Landesschau verteilt auf 14 Gemeinden im Salzkammergut statt. Mit nicht minder pointierten und eindrücklichen Untertiteln wie Menschen, Mythen, Monarchen oder Jetzt ist Hallstattzeit. Das St. Gilgen und Strobl dabei schon auf Salzburger Territorium liegen, wird so eng nicht gesehen. Schließlich assoziiert man die allseits bekannte Salzkammergutlustigkeit und Rösslkurbeharrlichkeit gemeinhin eher mit dem Salzburgrischen, auch wenn das Innere Salzkammergut in Wahrheit, … aber das würde jetzt wohl zu weit führen.
Man soll doch froh sein, dass es sowas Schönes gibt … Inmitten von Strobl steht, von einem großen Garten im englischen Stil umgeben, die Deutschvilla. Benannt nach der jüdischen Bankiersfamilie Deutsch, welche die um die vorvorige Jahrhundertwende im Toscana-Stil errichtete Villa erwarb, um bald darauf, im Zuge der nationalsozialistischen Machtergreifung in Österreich, Zeuge der ‚Arisierung’, also des Raubes des Sommerfrischedomizils zu werden. Nach dem Ende des 2. Weltkriegs und der Rückgabe an die Familie Deutsch fungierte die Villa zunächst als Kaffeehaus und Casino, ehe sie 1958 durch den Verein Freunde der Sommerhochschule der Universität Wien erworben und als Frühstückspension für Studenten und Professoren verwendet wurde. 1988 kaufte die Gemeinde Strobl die mittlerweile ziemlich baufällig gewordene Villa samt Park (eigentlich den Park samt Villa), um auf dem Areal ein Altenheim zu errichten. „Die Deutschvilla war halt auch dabei.“, wie Bürgermeister Josef Weikinger (ÖVP) offen zugibt.
So schön kann Strobl. Die Idee, in der Deutschvilla ein Kulturzentrum oder Museum einzurichten, wurde bald von Stimmen übertönt, die offen für einen Abriss eintraten. Diese Pläne wurden aber sowohl vom Bundesdenkmalamt, als auch durch das aktionistische Auftreten einiger StroblerInnen durchkreuzt. Rund um die Galeristin Veronika Hitzl begann sich ein Kollektiv zu bilden, das den musealen Gedanken ablehnte und einen Ort schaffen wollte, »in dem sich was bewegt.«. Das Strobler KünstlerInnenpaar Friederike und Leopold Immervoll begann 1998 das Areal in Form von Kinder-Keramikkursen für eine künstlerische Nutzung urbar zu machen. Dieser Pionierarbeit folgte ein Jahr darauf die erste offizielle Ausstellung: Mit So schön kann Strobl. Wurden (neben den Immervolls) die Künstler Ferdinand Goetz und Paul Jaeg in die Deutschvilla eingeladen, um diese auch in den folgenden Jahren stark zu prägen. Allerdings nur in den Sommermonaten, im Winter war die Deutschvilla, in Ermangelung einer entsprechenden Heizung, nicht verwendbar. Ein Verein war bald gegründet. Es galt dringende Sanierungs- und Adaptierungsarbeiten an dem Gebäude in Eigenregie durchzuführen, eine Pachtvereinbarung konnte mit der Gemeinde gefunden werden. Der Salon, den Raum beziehen, Raumillusionen, Architekt gesucht, ein/richten oder Zu Gast, sind nur einige der bisherigen Ausstellungstitel, und sie deuten alle auf eine Besonderheit der Örtlichkeit hin: Nämlich auf die Möglichkeit, sich einen Freiraum zu erschließen, den es immer wieder neu zu bespielen und zu entdecken gilt, während gleichzeitig die Fassade bröckelt und Selbstverständlichkeiten wie besagte Heizung oder warmes Wasser eben keine solchen sind.
UnSICHTBAR… Am Abend der Vernissage zu der 2004 stattgefundenen Gruppenausstellung Architekt gesucht saß man beisammen: die bildenden Künstler Franz Riedl und Wendelin Pressl, beide an der Ausstellung teilnehmend, sowie die Brüder Michael und Klaus Kienesberger, alle aus dem Salzkammergut kommend, sich gut kennend und durch ein gemeinsames Thema verbunden: Der Widerstand gegen das NS-Regime im Salzkammergut. Das Gedankenjahr 2005 (auch das eine perfid- kreative Wortschöpfung) stand im Raum, und man befand sich in Strobl, das 1943 auf der Fluchtroute des Ischler Kommunisten Sepp Plieseis lag, dem es gelungen war, aus einem KZ-Lager bei Hallein zu flüchten. Man wollte etwas tun, diesem kaum wahrgenommenen Geschichtsabschnitt zur Sichtbarkeit verhelfen. Und Bürgermeister Weikinger, der als Geschichtslehrer auch Franz Riedl unterrichten durfte, zeigte sich interessiert. Als 2007 ersichtlich wurde, dass die Landesausstellung auch in Strobl stattfinden sollte, ging alles relativ schnell: Für Weikinger war klar, dass die renovierungsbedürftige Deutschvilla der Ausstellungsort für Strobl sein musste, Veronka Hitzl zeigte sich grundsätzlich angetan und brachte Franz Riedl ins Spiel, der ein Konzept verfassen sollte. Die Thematik lag auf der Hand: die auch im Salzkammergut verdrängten Jahre 1938 – 1945, sowie die Deutschvilla und ihre Geschichte bzw. deren Nutzung als Kunstraum sollten die Eckpunkte des Strobler Beitrages darstellen, und dem eher allgemeinen Motto Künstler. Leben.am. Wolfgangsee tatsächlichen Tiefgang beisteuern.
…widerständiges im Salzkammergut Für unSICHTBAR wurden zwei unterschiedliche Stränge angedacht: Einerseits eine künstlerische Positionierung, die in Form einer Gruppenausstellung von Franz Riedl und Wendelin Pressl kuratiert werden sollte. Andererseits eine geschichtliche Aufbereitung unter der Leitung des Zeitgeschichtlers Klaus Kienesberger, mit einem Fokus auf die Rezeptionen und Interpretationen des Widerstandes nach 1945. Die Projektorganisation übernahm Michael Kienesberger, womit das Aktionskomitee von 2004 wieder beisammen war. Das finanzielle Unterfutter für dieses Projekt war allerdings vergleichsweise gering: Von insgesamt 650.000,- Euro flossen alleine 550.000,- Euro der Projektmittel in die Renovierung und Adaptierung der Deutschvilla. Umso beachtlicher ist dabei das Ergebnis: Seit Sommer letzten Jahres konnten 18 KünstlerInnen gewonnen werden, die höchst unterschiedliche und spannende Zugänge zum Sichtbarkeitsproblem des Widerständigen gefunden haben. Angesichts des Zeitdrucks entschied sich Klaus Kienesberger, im geschichtlichen Teil der Ausstellung auf neue Forschungsschwerpunkte zu verzichten, um einen fundierten Überblick über den Widerstand im Salzkammergut bieten zu können. Das Ziel, den Fokus auf die Widerstandsbetrachtung nach 1945 zu legen, konnte, nicht zuletzt durch Verweise auf künstlerische Auseinandersetzungen, erreicht werden.
Wobei vielleicht etwas über das Ziel hinausgeschossen wurde: Der Eindruck, dass historisches Material selektiv ausgewählt wurde, um die Opferrolle des überwiegend ‚linken’ Widerstandes stärker herauszuzeichnen, lässt den Beigeschmack leicht manipulativer Geschichsbetrachtung zurück. Das lässt sich zwar mit dem lokalen, den Widerstand negierenden Hintergrund erklären, vermutlich wäre eine interpretationsfrei(er)e Darstellung der Ereignisse dem Thema dienlicher gewesen. Laut Bürgermeister Weikinger wird die Ausstellung jedenfalls gut angenommen, was die Besucherzahlen bei der Landesaustellung anbelangt, sei man Spitzenreiter. Auch freue er sich ob der Schönheit der frisch heraus geputzten Villa, die dank Zentralheizung nun auch im Winter genutzt werden kann. Fragt sich nur von wem, denn für den Geschmack von Veronika Hitzl ist das Ergebnis der Generalsanierung etwas zu schön. Die liebevolle Kleinarbeit der letzten zehn Jahre sei kaum mehr zu sehen, irgendwie fühle man sich in dem bisherigen Hort künstlerischer Freigeistigkeit plötzlich fremd. Für Josef Weikinger ist es indes klar, dass die Deutschvilla zur Förderung zeitgenössischer Kunst weiterhin genutzt werden soll. Und für Franz Riedl ist schon allein die Existenz des Hauses Widerstand an sich.
Die Ausstellung unSICHTBAR – widerständiges im Salzkammergut kann noch bis 2. November 2008 in der Deutschvilla Strobl besichtigt werden.
http://www.landesausstellung.at http://www.deutschvilla.org (Deutschvilla, Verein zur Förderung aktueller Kunst) http://www.deutschvilla.at (unSICHTBAR)
David Guttner ist im Vorstand der KUPFKulturplattform OÖ, lebt und arbeitet in Wien.