Glorreiche Zeiten? 10 Jahre 1999

Die 90er – glorreiche Aufbruchzeiten für die „freie“ oder „alternative“ Medienszene? fragt Veronika Leiner.

 

Es gibt noch immer MedienaktivistInnen, die bekommen noch immer ganz glänzende Augen, wenn von 1999 die Rede ist. In Graz, Wien, Linz, Salzburg waren in den 90ern Netzkulturinitiativen entstanden, die zugleich als alternative Netzprovider der Freien Kulturszene leistbaren Zugang zum Netz verschafften. Nach jahrelangen politischen Auseinandersetzungen gingen ab 1998 endlich die Freien Radios on Air. Und dann, im Mai 1999: die Medienkonferenz in Linz! Alternative Printmedien, Freie Radios, Initiativen der Netzkultur, IG Kultur und KUPF treffen sich, um sich zu vernetzen, Kooperationen zu initiieren. Der Medienstaatssekretär (Wittmann, SP) ist zu Gast, die »Linzer Erklärung« wird verabschiedet, kurz darauf erscheint ein Reader mit grundlegenden Texten zur Situation freier, alternativer Medien und zur Medienpolitik als Demokratie- und Kulturpolitik.* Die 90er, glorreiche Aufbruchzeiten für die sogenannte »freie« oder »alternative« Medienszene? 1999 der Beginn breiter Kooperationen, die bald zur expliziten Anerkennung und politischen Förderung des so genannten 3. Mediensektors (Kennzeichen: Pluralismus der Ausdrucksformen, Gemeinnützigkeit, Selbstorganisation, offener, niederschwelliger Zugang zur Medienproduktion) führten?

Leider dann doch nicht. Das hat mehrere Gründe, und die Kultur- und Medienpolitik der von Anfang 2000 bis Ende 2006 regierenden Rechtskoalition, die dem demokratiepolitischen Medienverständnis von »Ich füttere doch nicht die Hand, die mich beißt« folgte, ist sicherlich der ausschlaggebendste. Die Bundesförderung für Freie Radios wurde mit 2001 ersatzlos gestrichen. Die Förderungen für Netzinitiativen wurden auf niedrigem Niveau eingefroren, und eine Publizistikförderung, die unabhängige nichtkommerzielle Zeitschriften nicht strukturell benachteiligen würde, ist nach wie vor nicht absehbar. »Defizite finden sich in Österreich vor allem in Kompetenz und Gestaltungswillen der Politik«, ist im Vorwort des Readers von 1999 zu lesen. Daran hat sich nichts geändert. Für die SPÖ ist Medienpolitik ORFPolitik, und die ÖVP betreibt Klientelpolitik: für privat-kommerzielle Rundfunksender und die Styria.

Interessant ist jedenfalls, dass gerade derjenige der drei Medienverbände über die ganzen 10 Jahre hinweg hinsichtlich der Ziele der Konferenz der unnachgiebigste geblieben ist, dessen Mitglieder von der Morakschen Medienpolitik am unmittelbarsten getroffen worden waren. Der Verband Freier Radios (VFRÖ) wurde auch ab 2000 zumindest im Umfeld von Nationalratswahlen immer wieder aktiv und bewies gehöriges Durchhaltevermögen: Die aktuell laufende Kampagne zur Durchsetzung einer Bundesförderung für Freie Radios startete der VFRÖ im Frühsommer 2006, ein Ende ist nicht absehbar. Sie hat den Freien Radios ab 2007 zumindest eine bescheidene Akutförderung gebracht; und seit geraumer Zeit liegt ein Gesetzesentwurf in den Schubladen des Bundeskanzleramts, der eine Bundesförderung von Freien Radios und Community TV – und privat-kommerziellem Rundfunk – vorsieht. Wann und in welcher Höhe steht allerdings immer noch in den Sternen.

Das Konsortium Netzkultur und der Verband alternativer Zeitschriften sind unterdessen aus dem Blickfeld auch einer »alternativen Medienöffentlichkeit« verschwunden. Die »weiterführende Kooperation und Diskussion «, als deren Beginn sich die Medienkonferenz 1999 verstanden hatte, ist relativ schnell wieder eingeschlafen. So etwas wie ein grundlegendes Verständnis und Bewusstsein für die Notwendigkeit emanzipatorischer nichtkommerzieller Medienräume zu schaffen – sowohl in der Politik, als auch in einer allgemeinen Öffentlichkeit – ist auch in den vergangenen Jahren kaum gelungen. Dabei gäbe die sich immer weiter verschärfende Durchkommerzialisierung der traditionellen Medien, die Scheinpartizipativität von Blogosphäre und Web x.y Anlass genug, sich mit alternativen Zeitschriften, Freien Radios und Netzkulturinitiativen wieder verstärkt in die Diskussion einzubringen – und einen tatsächlich medienpolitischen Diskurs in diesem Land anzuziehen. Wenn die KUPF jetzt in Oberösterreich eine Kampagne zur Neuverteilung der ORF-Gebührengelder startet, könnte das doch ein Anlass sein, wieder eine breitere Mediendiskussion anzuzetteln: »Das Ziel ist eine pluralistische Informationsgesellschaft mit lokaler Verankerung, uneingeschränkter Meinungsfreiheit und künstlerischen und kulturellen Inhalten in freien und nicht-kommerziellen Medien.«

Veronika Leiner ist Funktionärin bei Radio FRO 105.0 MHz und verdient ihr Geld bei der Online-Kulturzeitschrift Eurozine.

* sektor3medien99. Kurskorrekturen zur Kultur- und Medienpolitik. Hg. v. M. Wassermair, G.Raunig. IG Kultur, Wien 1999.