Lydia Thanner über künstlerische Interventionen in gesellschaftlichen Reibungsflächen und das 11jährige Bestehen von Social Impact.
Der Versuch eines Portraits. Im Jahr 2007 feierte das Kunstlabel Social Impact – Verein für Kunst & Aktionsforschung sein zehnjähriges Jubiläum. Zum Start ins elfte Arbeitsjahr traf Lydia Thanner den (Mit-) Begründer Harald Schmutzhard zum Gespräch.
Seit der Gründung 1997 bearbeitet Social Impact gesellschaftliche Reibungsflächen theoretisch sowie praktisch und verknüpft derart Aktionsforschung mit Kunst. Gearbeitet wird in wechselnden und interdisziplinären Projektteams. »Konkret geht es darum, Kunst und Aktionsforschung in neue exemplarische Praxen einzubeziehen und im Kunstdiskurs zu präsentieren«, so Schmutzhard. Die im Vorfeld zur Verfügung gestellten Unterlagen beeindrucken, die Liste an Projekten und Aktivitäten ist lang und zeugt von internationaler Präsenz. Aufgelistet sind zahlreiche Auszeichnungen und Prämierungen sowie Beteiligungen an 83 Ausstellungen, Lectures und Videoscreenings in Los Angeles, Mexico City, Paris oder Berlin. Neben Einladungen zur Teilnahme an internationalen Festivals wie »CZECHPoint« in Prag oder »april meeting« in Belgrad sticht die Beteiligung an der Europäischen Kulturhauptstadt Graz 2003 ins Auge. Social Impact war als einzige österreichische Initiative mit drei Programmbeiträgen sowie als Artist in Residence vertreten. Gute Vorzeichen für Linz 2009: Social Impact erhielt den Auftrag zur Erarbeitung von vier Vorprojekten und wird mit den drei Projekten »Ausblenden« (überwachungsfreie Stadtführungen durch die Linzer Innenstadt), »Here we are« (fremdsprachige Ortstafeln) sowie der »subversiv:messe« mit internationalen Kunst- und Kulturschaffenden beim Großprojekt Kulturhauptstadt Linz 2009 vertreten sein.
Mit Stolz blickt Schmutzhard darauf zurück, als einziger österreichischer Beitrag auf der Biennale in Los Angeles vertreten gewesen zu sein, aber auch auf den Mediendiskurs, den das Projekt »border rescue«, die Veröffentlichung gefahrloser Routen inklusive Verhaltenstipps für EinwanderInnen zur Überwindung der österreichischen Grenze, nach sich gezogen hat.
Bei den Projekten bezieht sich Social Impact stets auf die gesellschaftliche Verantwortung von Kunst. „Unsere Handlungsorte suchen wir uns abhängig von den Erfordernissen, egal ob in Österreich, der Tschechischen Republik oder in Kroatien“, so begründet Schmutzhard die überregionale und internationale Ausrichtung des Labels. Denn, „wir arbeiten an globalen Themen, die anhand regionaler Phänomene bearbeitet und illustriert werden. Dabei gestalten wir Prozesse so, dass die Einbindung der Betroffenen selbst eine zentrale Rolle einnimmt“. Schmutzhard illustriert im Gespräch die Verantwortung gegenüber der Community, in und mit der interagiert wird, am Beispiel des Projekts „E55“. Zuerst wurden ausführliche Interviews mit Sexarbeiterinnen, die an der tschechischen Europastraße 55 nahe der österreichischen und deutschen Grenze arbeiten, geführt. Dann wurde gemeinsam mit den Betroffenenen und Kriminalpsychologinnen ein Sprachkurs samt Selbstschutzphrasen erarbeitet und als Broschüre sowie als CD kostenlos an Sexarbeiterinnen verteilt.
Einen Schritt weiter geht das webbasierte „common (RE)source center“. Um die Etablierung von Gegenöffentlichkeiten durch soziale Praxen zu fördern, sollen ab Sommer 2008 bewährte Methoden inklusive Tipps und Tools zur Nachahmung sowie Weiterentwicklung offengelegt werden. Zu hoffen ist, dass das Projekt zu einer umfassenden Strategiesammlung anwächst. Trotzdem ist die finanzielle Situation von Social Impact nach wie vor angespannt sowie durch die mangelnde Anerkennung der künstlerischen Leistung seitens der Stadt Linz und des Landes Oberösterreich gekennzeichnet. „Engagiert, aber mitunter leichtfertig“ reflektiert Schmutzhard in diesem Zusammenhang seine Rolle als Proponent der Freien Szene Linz in den letzten zehn Jahren.
Dabei erinnert er sich an intensive Diskussionen und Verhandlungen mit städtischen AkteurInnen im Vorfeld des Kulturhauptstadtjahres. „Da habe ich mir schon meine Schiefer eingezogen“, so Schmutzhard schmunzelnd und hofft, dass die Akzeptanz der Projekte seitens des Großprojektes Linz 2009 einen Richtungswechsel in der finanziellen Situation von Social Impact hervorruft.
Lydia Thanner ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Linzer Institut für qualitative Analysen (LIquA) und zugleich Geschäftsführerin bei qujOchÖ.