Herrscht in Oberösterreich ein versteckter Feldzug gegen die Plakat- und Flyerkultur der Alternativszenen? fragt Klemens Pilsl.
Flyer und Plakate sind das primäre Medium zur Ankündigung von Aktivitäten in den diversen Subkulturen und der Arbeit freier Initiativen. In Oberösterreich jedoch findet zur Zeit ein versteckter Feldzug gegen die Plakat- und Flyerkultur der Alternativszenen statt, angeführt vom kommerziellen Eifer ungustiöser Firmen und provinziellen KulturpolitikerInnen. Beispiele aus Linz und Steyr von Klemens Pilsl.
Seit jeher sind Plakate und Flyer typische Medien der hiesigen Alternativszenen, die trotz Internet und Ketten-SMS nichts an Aktualität verloren haben – im Gegenteil: Flyer- und Plakatkultur sind anerkannte (sprich museale) Sparten zeitgenössischen Kunstschaffens und nach wie vor sind bedruckte Zettel das A und O jeder Veranstaltung, egal ob Konzert, Festival, Lesung oder Vernissage. Mittels Plakaten und Flyern werden Ästhetiken erschaffen, Identitäten und Distinktionen konstruiert und kulturelle Ereignisse abseits von Kronefest oder Klangwolke dem jeweiligen interessierten Öffentlichkeitsssegment bekannt gegeben.
Linz: Plakate und Verbote „Es könnte alles so einfach sein … ist es aber nicht“ singen die Fantastischen 4 in ihrem aktuellen Album, und so geht’s auch den freien Initiativen und VeranstalterInnen zur Zeit mit ihren wichtigsten Medien. Seit einiger Zeit werden in Oberösterreich zunehmend ehemals öffentliche Plakatflächen der freien Szene entzogen und seitens der dummdreisten Lokalpolitik an Firmen übergeben. In Linz beispielweise darf man nicht mehr auf gewissen Litfaßsäulen plakatieren, da diese nunmehr einer Firma namens Werbering gehören. Man darf aber die eigenen Plakate dieser Firma geben, die sie dann gegen entsprechende Bezahlung auf eben diesen Säulen oder anderen Plakatflächen aufklebt. Wer sich das nicht leisten kann oder aus guten Gründen nicht leisten will, hat Pech gehabt – der öffentliche Raum gehört in Linz nur den Kulturveranstaltern, die es sich leisten können: Brucknerhaus, ORF, Landesmuseen, etc. Ein Angebot des Werberings für Linzer Kulturvereine, deren Plakate in minimaler Auflage ja eh gratis aufzuhängen, wenn sich’s die nicht leisten können, scheitert an der Umsetzbarkeit der Auflagen: Plakate müssen mehrere Wochen im Voraus angemeldet und in geringer Stückzahl (z.B. 20 Stück) abgegeben werden sowie mindestens DIN-A2 groß sein. Das sind Forderungen, die die sehr kurzfristig arbeitende und finanzschwache Alternativzene nicht erfüllen kann – und 20 Plakate sind verhöhnend wenig. Die Plakate der freien Initiativen wurden also erfolgreich aus dem Stadtbild verdrängt, ein gemeinsames Verdienst von Politik und Wirtschaft.
Steyr: Verbote und Duldung Ähnlich die Situation in Steyr: „Schon vor 10 Jahren forderten wir legale Plakatiermöglichkeiten. Und was war das Ergebnis? Lange Zeit einmal nichts, 2006 genehmigte dann die Stadt die Errichtung kommerzieller Litfaßsäulen des Werberings im Stadtgebiet. 4,7 Euro kostet die Anbringung an den Litfaßsäulen im Rayon Steyr für ein A1 Plakat für zwei Wochen. Plus 5% Werbeabgabe und 20% MwSt. Unleistbar für unseren Verein“, schreibt Andreas Liebl vom Kulturhaus Röda in einer Presseaussendung. Doch anders als in Linz, wo das Büro Linz-Kultur den Deal mit dem Werbering stur verteidigt und trotz Nachfragens auch keine Details daraus auspackt (also auf gut österreichisch durchtaucht), hat die Gemeinde Steyr den Betroffenen inoffiziell mitgeteilt, dass „illegale“ Plakatierungen abseits der Werbering-Flächen im Stadtgebiet nicht geahndet werden (also auf gut österreichisch ein fauler Mittelweg, aber immerhin).
Verbote und Verstöße Wo es Verbote gibt, gibt es zum Glück auch Verstöße. So wird zum Beispiel in Linz und in anderen Städten gegen das Plakatiermonopol des Werberinges auf den privatisierten Säulen verstoßen, so wird zum Beispiel an der Kepler-Uni gegen das dort herrschende Flyer-Verbot für Zahlungsunwillige verstoßen – meist aber nur einmal. Ungenehmigtes Flyern an der Uni führt zu zugesandten Zahlungsaufforderungen, „WildplakatiererInnen“ in Linz werden seitens Werbering per Telefon und Brief auf ihr Vergehen hingewiesen und bei Wiederholung mit Anzeigen und Strafen bedroht. Und die können sich freie Initaitiven ebensowenig leisten wie die Plakatierkosten beim Werbering. Wer durch Linz spaziert, muss zugeben: der Werbering und die Linzer Stadtpolitik haben Hand in Hand gewonnen. Es hängen kaum „illegale“ Plakate an den Plakatflächen und Säulen. Widerstandslos hat die Freie Szene resigniert und den Kampf um den öffentlichen Raum erst gar nicht aufgenommen. Aber was nicht ist, könnte ja noch werden?
Forderungen und Anstöße Widerständische Praxen sollen an dieser Stelle nicht entwickelt, sondern eingefordert werden. Die Forderungen sind ja tatsächlich keine revolutionären: freie Plakatflächen für freie Initiativen, zum Beispiel. Oder: Rückgängigmachung der Privatisierung der ehemals öffentlichen Litfaßsäulen, zum Beispiel.
Oder, um es gleich klar und deutlich zu sagen: den öffentlichen Raum denen, denen er gehört. Kommerz raus, Kultur rein!
Klemens Pilsl ist Kulturaktivist und erboster Schwarzplakatierer.