Diese Frage stellt das Frauenforum Salzkammergut. Katja Haller hat es besucht.
Die Marktgemeinde Ebensee feiert heuer das Jubiläum 400 Jahre Saline. Das Frauenforum Salzkammergut stellt zu den Feierlichkeiten mit einem vom KUPF Innovationstopf geförderten Projekt die Frage: „Wo sind die Frauen?“
Drachenwand Im Rahmen des Projektes wurde Ende Juni ein 17m x 7m großes Transparent mit 400 Porträts von Ebenseerinnen am Rathaus angebracht. Seither sorgt die Aktion für rege Diskussionen und so manch ein Ebenseer erklärt das Transparent zur Drachenwand.
Einer der Leitsätze des Frauenforums lautet „Frauen sichtbar machen“. Dies ist wunderbar gelungen! Über die Zuschreibung „Drachenwand“ schmunzelt Iris Kästel, Geschäftsführerin vom Frauenforum Salzkammergut: „Wir waren hochgradig erfreut über die Zahl der interessierten Frauen. Es war eine ganz außergewöhnliche Stimmung bei den Fotoshootings. Die Frauen hatten das Gefühl, dass hier etwas Wichtiges passiert im Ort. Hier geschieht Frauengeschichte pur.“
Zuvor hatte in der Spinnstube des Frauenforums die Historikerin Dr.in Brigitte Rath den Vortrag „HERstory“ zur Unsichtbarkeit der Frauen in der Geschichtsschreibung gehalten. Sie zeigte auf, dass Frauen und ihre Leistungen in den Geschichtsbüchern allzu oft in den Hintergrund gerückt oder schlichtweg „vergessen“ werden. Frauen haben in Ebensee z. B. im Tourismus und in der Saline gearbeitet, werden jedoch von den Chronisten nicht dokumentiert.
Himmel & Hölle Ebenfalls im Juni wurde das Frauenforum auf Zeitungsartikel aufmerksam: Die oö. Landesausstellung 2008 findet dezentral in zwölf Gemeinden statt. Unter dem Titel Heimat – Himmel & Hölle beschäftigt sich der Ebenseer Beitrag mit Migrationsbewegungen im Salzkammergut. In der Darstellung der Aspekte wurde mit keinem Wort die Rolle von Frauen erwähnt. Migrationsgeschichte von Frauen sowie ihr Beitrag zum Aufbau von Infrastruktur oder zur Organisation des Alltags fielen unter den Tisch. Iris Kästel: „Der Blick auf die Geschlechterperspektive hat nichts mit dem eigenen Geschlecht zu tun, sondern damit, wie ich auf die Dinge schaue, wie ich sie formuliere und der Öffentlichkeit preisgebe.“
In einem Brief an das Team der Landesausstellung Ebensee sowie in einem Leserinnenbrief appellierte das Frauenforum, den Blick auf die Geschlechterverhältnisse zu wagen und die Rolle von Frauen sowie ihre spezifischen Lebenszusammenhänge herauszuarbeiten. Zudem wurde das männerdominierte Team kritisiert. Auf der offiziellen Homepage der Landesausstellung scheinen sieben Männer in leitender Funktion auf. Dass es drei wissenschaftliche Mitarbeiterinnen gibt, geht daraus nicht hervor. Weiters sind keine MigrantInnen im Team.
Per Leserbrief folgte vom wissenschaftlichen Leiter, Dr. Walter Rieder, eine Stellungnahme: „(…) Für die Aufnahme in das Team war Kompetenz ausschließliches Kriterium. (…) Ich hätte sicher gerne Genderparität gehabt (…), dazu sind aber jeweils kompetente Frauen die Voraussetzung.“ (Salzkammergut Rundschau, 4. Juli 2007, S. 32)
Derlei Aussagen versuchen allzu oft einen geringen Frauenanteil zu rechtfertigen. Umgehend rief Iris Kästel mit einem einzigen E-Mail-Call zur Nennung von kompetenten Frauen auf. Innerhalb kürzester Zeit hatte sie eine Liste mit 13 Frauen – davon 9 Migrantinnen – zusammengestellt. Deren Kompetenznachweise belegen jahrelange Arbeit in den Bereichen Migration und Migrationsforschung. Iris Kästel: „Es gibt inzwischen genug Expertinnendatenbanken und somit keine Ausrede mehr. Man muss nur suchen und die richtigen Stellen fragen.“ Auf die Liste und einen weiteren Brief gibt es bislang keine Rückmeldung.
Dirndlkleid & Hosenträger Die OÖ Landesregierung hat sich im Jahr 2002 zu Gender Mainstreaming verpflichtet. Laut Auskunft der Kulturdirektion ist Gender Mainstreaming für die Landesausstellungen tatsächlich vorgeschrieben. Wie der geschilderte Fall beweist, wird dieses Top-Down-Konzept zur Gleichstellung nach wie vor nicht umgesetzt. Auch nicht auf dem Plakatsujet zur Landesausstellung Salzkammergut 2008. Mit Lederhosenträger und Staatsschärpe sowie Orden verzierte Schneiderpuppen weisen auf männliche Träger hin. Frauen haben anscheinend auch keine „Dirndlkleidlkompetenz“.
Mit einem differenzierten Blick auf Geschichte und Migration, der die Lebenszusammenhänge von Frauen berücksichtigt, wäre eine vielschichtige, realitätsnahe Perspektive möglich. Ausstellungs- und Katalogtexte, in geschlechtergerechter Sprache verfasst, können Frauen sichtbar machen. Eine Darstellung, in der sich Frauen wiederfinden, würdigt das Leben der Migrantinnen und Frauen generell. Das Frauenforum Salzkammergut hat weiterhin frauenpolitischen Handlungsbedarf. Geschäftsführerin Iris Kästel: „Das Frauenforum ist eine kräftige Stimme in der Region und mit rein rhetorischen Modernisierungen ganz gewiss nicht zum Schweigen zu bringen! Wir wollen Taten sehen!“
Vielen Dank Iris Kästel für das Gespräch!
http://www.frauenforum-salzkammergut.at
Katja Haller ist Geschäftsführerin von FIFTITU% – Vernetzungsstelle für Frauen.