Kritik der Kreativität

Andre Zogholy hat die von Gerald Raunig herausgegebene Publikation für Sie gelesen.

 

„Kreativität zieht wieder“ so die Einleitung zum nun vorliegenden sechsten Band der republicart Reihe. Dieses Programm versucht seit 2003, gegenwartsbezogene Verkettungen von Kunst und Politik zu forcieren, dies unter mannigfaltigen theoretischen wie auch praxisbezogenen Gesichtspunkten. Es geht um eine Bündelung verschiedener Aspekte der Kunstproduktion, der zeitgenössischen Kunst- und der politischen Theorie sowie Kulturpolitik.

Neben bereits erschienen Bänden, die sich zum Beispiel mit den Zusammenhängen und Überlappungen wie etwa von Kunst mit Globalisierungskritik, künstlerischem Aktivismus mit Revolution oder auch mit Theorien der Öffentlichkeit befassen, lag es durchaus nahe, kritische Analysen des Begriffes einer Kreativität vorzunehmen. Nicht nur in Anbetracht der gegenwärtigen Hippness der Kreativwirtschaft versucht die nun vorliegende Publikation eine notwendige kritische Untersuchung des institutionellen und politischen Umgangs mit eben jener Begrifflichkeit.

Zentral steht eine Kritik, die Kreativität als zentrale postfordistische Subjektivierungsweise und im Allgemeinen als Konzentration auf wirtschaftlich verwertbare Innovation versteht. In diesem Sinne wird der kreative Imperativ (sei kreativ, sei innovativ, sei inventiv …) als Ausgangspunkt für weit reichende Analysen angewandt: von verschiedenen Theorien der Kreativität bis hin zu Prekarisierungsthemen oder den kulturpolitischen Miserien, die durch den Kreativwirtschaftshype ausgelöst wurden, oder dem Zusammenhang von Witz und innovativem Handeln wird ein weiter facettenreicher Bogen gespannt. Der kreative Imperativ, verstanden als eben jene postfordistische Subjektivierungsweise, wird im Anschluss an Foucault mit Begriffen wie Gouvernementalität und Biopolitik beschrieben und erklärt. Interessant scheint hier, dass neben Thesen von Focault oder Deleuze immer wieder auch Adorno und dessen Beschreibung einer Kulturindustrie hervorblitzt. Die AutorInnen halten sich aber nicht weiter bei einem von Adorno geprägten Kulturpessimismus auf, sondern verknüpfen die Kulturindustriethesen fruchtbringend mit gegenwärtigen kritischen Diskursen über Creative Industries. Insgesamt eine Publikation, die erstaunlich mannigfaltige Schnittstellen von Makro- und Mikropolitik und neoliberalen Subjektivierungsweisen, kognitivem Kapitalismus, postoperaistischer aber auch poststruktureller Theorie aufweist und zahlreiche Denkanstöße liefert.

Kritik der Kreativität ist im Verlag Turia + Kant erschienen und beinhaltet Beiträge von: Beatrice von Bismarck, Luc Boltanski, Eve Chiapello, Brigitta Kuster, Maurizio Lazzarato, Esther Leslie, Isabell Lorey, Angela McRobbie, Pierre-Michel Menger, Monika Mokre,Yann Moulier Boutang, Klaus Neundlinger, Stefan Nowotny, Marion von Osten, Dimitris Papadopoulos, Gerald Raunig, Suely Rolnik, Peter Scheiffele, Vassilis Tsianos, Paolo Virno, Ulf Wuggenig.

Kritik der Kreativität Gerald Raunig, Ulf Wuggenig (Hg.), Wien 2007, Verlag Turia + Kant,republicart, Bd. 6, ISBN-10: 3-85132-459-5, S. 251, € 26.-

Andre Zogholy ist Soziologe, Künstler und Kulturarbeiter.