Amra Commenda, Obfrau der Interkulturellen Medienwerkstatt Pangea fragt: „Ich! Eine Provokation?“
Ich gehöre zu den MigrantInnen, die perfekt integriert sind, mein Deutsch ist akzentfrei, jedoch spricht man/frau mit mir auf sonderbare Art und Weise. Und all das, weil ich ein Kopftuch trage, und offenbar scheint dieses zu signalisieren, dass ich der deutschen Sprache nicht mächtig bin. Wenn ich aber einmal eine Frage stelle, dann merke ich oft, wie mein Gegenüber völlig perplex ist, gegrübelt wird… Wie passt das zusammen? Danach stellen alle fest: „Sie sprechen ja so ein perfektes Deutsch, Sie sind wahrscheinlich hier geboren. Wenn Sie doch nur nicht dieses Tuch tragen würden. Sie haben sicher schönes Haar. Sind Sie Türkin, müssen Sie das tragen?“ Nicht nur Türkinnen tragen Kopftücher! Manchmal würde ich gerne auf so eine provokante Frage einfach nur mit „Danke, Sie sprechen aber auch gut Deutsch!“ antworten und weitergehen. Es gibt Tage an denen es mir nicht so viel ausmacht, eine Provokation zu sein, bitte verstehen sie mich nicht falsch, ich selbst empfinde mich nicht als provokant, aber für die Mehrheit meiner Mitmenschen bin ich eine Provokation.
Und dann gibt es Tage, an denen ich mich nach Unauffälligkeit sehne, da ich an die Zeit zurückdenke, wie es war, sich ohne Kopftuch durch die Stadt zu bewegen. Unbeobachtet zu sein, mit meinem kleinen Sohn spazieren gehen zu können, ohne mir anhören zu müssen, dass solche wie ich nur Kinder kriegen können und den österreichischen Sozialstaat ausbeuten. Nicht dass ich das ernstnehme, aber so etwas empfinde ich als unglaubliche Provokation im negativen Sinn. Einmal ist mir das in der Straßenbahn passiert, und da war ich so wütend, dass ich zu der Frau, die mich wüst beschimpft hat, im tiefsten Dialekt zurückgeantwortet habe: „Wissen S’wos, Sie legn si mit da foischen Person aun, und waun S‘ jetzt net aufhearn, dann zag i Sie aun.“ Plötzlich wurde es still in der gesamten Straßenbahn. Der Frau stand das blanke Entsetzen buchstäblich ins Gesicht geschrieben, die anderen Fahrgäste waren perplex über meine Äußerung im Dialekt. Diesen Aspekt der Provokation, die MigrantInnen in der Öffentlichkeit darstellen, haben wir vom Verein Pangea im Projekt Ich! Eine Provokation? (gefördert durch den KUPF-Innovationstopf) aufgearbeitet. Wir freuen uns sehr, das Ergebnis dieses Projektes in Form einer Zeitung präsentieren zu können, welche durch die gute Zusammenarbeit mit der Stadtwerkstatt/Versorgerin realisiert werden konnte.
In der Herbstausgabe der Versorgerin finden Sie die Sonderausgabe Ich! Eine Provokation? beigelegt.
Amra Commenda ist Obfrau der Interkulturellen Medienwerkstatt Pangea.
http://www.pangea.at