Michaela Moser stellt ein kürzlich erarbeitetes Regierungsprogramm vor.
Auf einer Open-Space-Konferenz am 25./26. Oktober 2002 wurde unter Beteiligung von rund 60 Frauen – viele davon Vertreterinnen von Frauenorganisationen – ein feministisches Regierungsprogramm erarbeitet. Vorhandene feministische Alternativen in allen Politikbereichen wurden so gebündelt und können als politischer Maßstab für jede künftige Regierung herangezogen werden.
Die Aussicht auf Neuwahlen hat dieses Mal in Frauenorganisationen – und sicher nicht nur dort – ein gutes Maß an Energie freigesetzt. Zwar ist auch Optimistinnen bewusst, dass auch die nächste Regierung keine feministische sein wird, aber selbst Skeptikerinnen müssen zugeben, dass es aus frauenpolitischer Sicht eigentlich fast nur besser werden kann.
Es ist höchste Zeit!
Auch wenn die Zeiten bereits vor der schwarzblauen Regierung aus feministischer Sicht schon nicht gerade rosig waren, kam es in den letzten 2 1/2 Jahren doch noch zu kräftigen „Zugaben“. Die Abschaffung des Frauenministeriums, das dem Ministerium für Generationen und Soziale Sicherheit eingegliedert und später mit einem Tierarzt als Frauenminister besetzt wurde, war nur der Anfang. Eine eigene Männerabteilung im Ministerium – revanchistisch angelegt, anstatt mit kritischer Männerarbeitsperspektive – kam bald dazu.
Es kam zur für viele Frauenprojekte dramatischen Streichung des Postversandtarifs, zur Einführung von Studiengebühren und einer so genannten Universitätsreform, zu zahllosen sozial- und arbeitsmarktpolitischen Verschlechterungen und zur kontinuierlichen – mehr oder weniger langsamen und stetigen – Reduzierung der öffentlichen Gelder für Frauenorganisationen und -projekte, an deren Spitze zuletzt die Diffamierung etlicher Organisationen im Rahmen der Vorgänge rund um den parlamentarischen Untersuchungsausschuss stand.
Die Luft wurde dünner – doch auch der Widerstand wuchs: Widerstandskongresse und -tage wurden organisiert, ein feministischer Widerstandsrat gegründet, AMS-Filialen besetzt, es wurde protestiert, demonstriert und organisiert. Und nicht alles war ohne Erfolg. So musste z. B. die kurzzeitig abgesetzte Kärntner Frauenbeauftragte Helga Grafschafter nach massiven Protesten wieder eingesetzt und der parlamentarische Untersuchungsausschuss schließlich eingestellt werden.
Und es gab immer wieder Grund zu feiern. Mit www.diestandard.at wurde eine weitere, wenn auch nicht immer unumstrittene, News-Site für Frauen eingerichtet; der – derzeit wegen Subventionskürzung leider brach liegende – Kosmos Frauenraum konnte eröffnet werden; Österreichs einzige Frauenbuchhandlung zog in größere Räume um; der 27. Kongress „Frauen in Naturwissenschaft und Technik“ und das erste internationale Frauentrickfilmfestival fanden in Wien statt und eine zweite österreichische Frauensynode wurde organisiert, um nur einige ganz subjektiv selektierte Highlights zu nennen. Weiblich widerständige Kunst, wie Bady Mincks Elektrofrühstück, fand ihren Weg in die Mailboxen und ins Bewusstsein vieler, der Verband feministischer Medien veranstaltete ein schönes „Frauen kleben FEST“, Österreichs erste Rabbinerin trat ihr Amt an, und die ÖH wurde von einer linken Koalition unter Leitung von Frauen übernommen.
Die Fundamente wackeln lassen
Und weil es darum geht, die Fundamente noch stärker wackeln zu lassen, haben Frauen aus unterschiedlichen Projekten, Netzwerken und Organisationen nun auch noch flugs ein feministisches Regierungsprogramm geschrieben und zeigen darin auf, wie Feministinnen regieren würden.
Da wird ein auf „Reparaturen“ angelegtes Sozialministerium dann zum „Ministerium für Wohlbefinden und gutes Leben“ und gemeinsam mit dem Frauenministerium budgetär begünstigt, damit die leitenden Prinzipien der Geschlechter- und sozialen Gerechtigkeit umgesetzt werden können. Im Ministerium für Finanzen wird ein feministisches Budget und Vorschläge für eine geschlechtergerechte Steuerreform entwickelt, das Innenministerium betont das Menschenrecht auf Migration und setzt Maßnahmen zur Gewaltprävention. Im BM für auswärtige Angelegenheiten wird aktive Friedenspolitik und Entwicklungszusammenarbeit forciert. Im Justizministerium wird u. a. an einer Novellierung des Abtreibungsrechts (inklusive Wegweiserecht für pro-life-AktivistInnen) gearbeitet und eine Frauen- und Sozialverträglichkeitsprüfung für alle politischen Maßnahmen auf Schienen gelegt.
Ein unabhängiger, selbst organisierter, jedoch wie auch alle anderen Frauenprojekte staatlich finanzierter Frauenrat sorgt für Monitoring und Evaluation der Politik, deutliche Maßnahmen zur Umverteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit – wie eine Arbeitszeitverkürzung auf 30 Wochenstunden – schaffen in Kombination mit einem existenzsichernden Grundeinkommen mehr Zeit für Versorgungsarbeit und machen auch gesellschaftliches und politisches Engagement ein bisschen weniger zur Selbstausbeutung.
Auch in Bildung und Wissenschaft, Kunst und Kultur, Verkehr, Innovation, Technologie und vielen weiteren Bereichen gibt es viel zu verändern, aber auch – wie die Arbeit am Regierungsprogramm einmal mehr beweist – genug kompetente Frauen, die alternative Wege aufzeigen können.
Nun liegt es zuerst jedoch an den WählerInnen, mit dem feministischen Regierungsprogramm in der Hand die Programme der wahlwerbenden Parteien zu durchforsten und dann am 24. November „so feministisch wie halt möglich“ zu wählen.
Michaela Moser
Der Gesamttext des Feministischen Regierungsprogramms findet ihr hier.