Bilddekonstruktion.

Ein gesampleter Zwischenbericht zur Veranstaltungsreihe „Establish Cultural Worker – Ist die KulturArbeit (oder) Kunst?

Ein wesentlicher Faktor dieser neuen Bedingungen scheint die so genannte postmaterielle Orientierung. Es geht nicht mehr nur um Geld, es geht nicht nur um Güter, es geht auch um Arbeitszufriedenheit, Lebenszufriedenheit. Das geht Hand in Hand damit, dass man vom Endsieg des Kapitalismus spricht, dass man von Individualisierung spricht. Die postmaterielle Orientierung ist ja nicht eine nicht-materielle, sondern heißt materielle Absicherung plus etwas anderes, was ja auch vernünftig erscheint. (Monika Mokre)Die Imagination der medialisierten Welt vermittelt uns Bilder, die zu akzeptieren um so leichter fällt, als der Mühe entsagt werden kann, diese noch einmal zu überdenken und zu hinterfragen. Das Bild der selbstständigen Beschäftigten ist verknüpft mit Begriffen wie: „Freie Zeiteinteilung, selbstbestimmtes Arbeiten, eigener Auftraggeber“ usw. Was dieses Bild nicht zum Inhalt hat, sind die Arbeitsbedingungen, die für selbstständige Beschäftigte vorhanden sind und zu welchen sie Zugang haben. Um aber eine Diskussion über den Stellenwert der atypisch Beschäftigten führen zu können, müssen gerade diese Bereiche vergegenwärtigt werden. Die Vorteile predigend vollzieht die Wirtschaft eine rasante Ökonomisierung der Kultur und formt sie im Sinne des neoliberalen Leitprojektes.

Diese Individualisierung der neuen Selbstständigen wird nur zu gern akzeptiert. Heißt es doch nichts anderes, als dass die Gefahr von Allianzenbildung verringert wird, und der/die EinzelkämpferIn leichter für den Zweck gebraucht werden kann. Die Frage nach Interessenvertretungen wird nicht gerne gehört. Viel angenehmer ist es, die Beschäftigten als vertretungsloses Freiwild betrachten zu können, und sie deshalb im positiv diktatorischen Sinne beherrschen zu können. Diese Frage nach dem Ergreifen von Gegenstrategien wird daher für die atypisch Beschäftigten immer dringlicher.

Dazu ist es wichtig in so einer Organisierung – in welcher Form auch immer – in Foren, in Netzwerken, in Diskussionen, als ersten Schritt zu schauen: ,Was ist die Lage? Was sind die Forderungen? Was sind die Bedürfnisse?‘ und das zu artikulieren. Nicht nur um das nach außen zu tragen, sondern um das selbst auch klar zu haben, um natürlich Bewusstseinsprozesse auszulösen. Dann geht es sicher darum dieses politische Subjekt zu konstituieren, und eben von individuellen zu kollektiven Strategien zu kommen. Alles, was es bisher gibt, sind individuelle Strategien, teilweise in einem kollektiven Charakter, in einem Netzwerk, aber nie als gesellschaftliche, als kollektive Strategien gedacht. (Dario Azzelini)

Die Konstituierung des politischen Subjektes. Der Weg vom beherrschten Objekt zum agierenden Subjekt, das die Allianzenbildung als notwendiges strategisches Ziel wahrnimmt, und sich aber der Gefahr dieser Bündnisse bewusst ist. Denn! Die Gefahr dieser Bündnisse liegt auf zwei Ebenen. Die eine ist jene, die aus Mangel an Reflexion und Kontrolle der Ziele zu einem Automatismus wird, welcher fest strukturiert und starr die Lebendigkeit zugunsten eines Vegetierens aufgegeben hat. Diese Erstarrung führt zum Verlust der Macht. Die zweite Ebene ist jene der ‚gefährlichen‘ Allianzen, der neuerlichen Ausbeutung unter dem Deckmantel des partnerschaftlichen Miteinanders. Diese Tendenzen der Vereinnahmung lassen sich nicht zuletzt in der Frage nach der wirtschaftlichen Komponente der Kulturarbeit festmachen. Die oben schon angesprochene Ökonomisierung der Kultur wird einseitig – von Seiten der Wirtschaft – betrieben, unter voller Ausnützung des symbolischen Kapitals der KünstlerInnen und Cultural Worker.

Und ich denke, dass es da eben ganz wichtig ist, das einerseits zu beobachten, und sich andererseits auch nicht rauskicken zu lassen, sondern dass die Künstler- und Künstlerinnenschaft wirklich aufgefordert ist, sich zu melden, öffentlich zu sprechen, und die Definitionsmacht zurückzufordern. Dass man also weiter versucht sich in diesem System zu bewegen, ohne sich ihm auf das andere, was von der Wirtschaft und von politischen Instanzen generiert wird, reduzieren zu lassen, und weiterhin versucht in diesen Strukturen zu arbeiten, und herauszufinden wo da Handlungsspielräume sein könnten.(Andrea Knobloch)

Der Begriff der strategischen Allianz soll geprägt werden. Der Allianz, die temporär und zielgerichtet agiert. Der Allianz, welche sich nicht um ihrer selbst Willen erhält. Vielleicht gibt es die Möglichkeit der neuen Netzwerkbildung. Aber vielleicht muss auch hier der Warnung Platz gemacht werden, den Netzwerkgedanken nicht überzustrapazieren. Denn Netzwerke, Allianzen werden heute beinahe schon als Allheilmittel für auftretende Probleme gesehen und als solche auch gebildet. Die Allianz als Modewort.

Was fehlt? Antworten! Nein! Ein Ziel der Veranstaltungsreihe „Establish Cultural Worker – Ist die KulturArbeit (oder) Kunst?“ war (und ist) die Etablierung bzw. Behauptung eines Berufsbildes des/der Cultural Worker. Aber? Ist das noch sinnvoll?

Diese Definitionen werden immer schwerer, woraus ich die Konsequenz ziehen würde, dass es nicht darum geht, zusätzliche Berufskategorien einführen zu lassen, was ja eine Forderung sein könnte. Sondern, dass es grundsätzlich darum geht, sich an Sachen ranzutasten, wie eben ein freier Zugang zu Ressourcen, und eine bestimmte Grundabdeckung für alle. (Dario Azzelini)

Die Reihe wird noch fortgesetzt. Am 30.November findet das abschließende Symposion statt. Was bleibt ist der Eindruck, dass es Interesse und Wille an der Diskussion dieses Themas gibt.

Und schließlich – um jetzt vollends normativ utopisch zu werden – denke ich mir, dass auch eine Chance daraus entstehen könnte, wenn das stimmt, dass die Arbeit weniger wichtig wird und mehr Leute mehr Freizeit haben, und dass Teilzeitbeschäftigung sinnvoll ist. Da könnte das ja auch wieder Platz schaffen für so etwas wie politisches Engagement und politische Aktivität.“ (Monika Mokre)