Den Platz der Kultur im EU Konvent beleuchtet Therese Kaufmann.
Der seit Ende Februar tagende EU-Konvent, der in den nächsten Monaten eine grundlegende Debatte über die Zukunft Europas führen und die mit der Erweiterung überfällige Reform der Union inklusive eines Verfassungsvertrages erarbeiten soll, hat die Kultur als Thema entdeckt.
Einigermaßen überraschend für jene, die sich seit langem für die Förderung kultureller Themen auf europäischer Ebene einsetzen, wurde in der letzten Plenarsitzung des zwölfköpfigen Präsidiums unter Führung Valéry Giscard d’Estaings beschlossen, zumindest für den Dialog zwischen dem Konvent und der so genannten „organisierten Zivilgesellschaft“ eine von acht Kontaktgruppen zum Thema Kultur unter dem Vorsitz des slowenischen Parlamentsabgeordneten Lojze Peterle einzuberufen.
Die Überraschung rührte vor allem daher, da Kultur schon im Schlussdokument des Gipfels von Laeken im Dezember 2001, das sowohl die Einsetzung des Konvents wie auch die wesentlichen Fragestellungen für die Debatte festlegte, nicht vorkam. Bei Eingabe des Suchbegriffs „culture“ stieß man in der „Deklaration von Laeken“ als einziges Ergebnis bezeichnenderweise auf „agriculture“. Auch in den folgenden Arbeitsdokumenten war davon keine Rede.
Dabei hatte sich die kulturelle Szene schon im Vorfeld von Laeken bemüht, die Relevanz kultureller Themen auf EU-Ebene zu vermitteln. So organisierte EFAH (European Forum for the Arts and Heritage) eine Diskussion unter unabhängigen Organisationen im kulturellen Feld und engagierte sich in Netzwerken mit NGOs aus anderen Bereichen. Im Frühjahr wurde eine EFAH Task Force zum Konvent ins Leben gerufen, die vor allem durch den direkten Kontakt mit den einzelnen Delegierten aus den Mitgliedsstaaten das Thema Kultur auf die Agenda bringen will.
Wesentliches Anliegen ist dabei, dass die einzige rechtliche Grundlage für kulturpolitische Aktion auf europäischer Ebene, Artikel 151 des Vertrages von Amsterdam1, nicht nur endlich – 10 Jahre nach seiner Aufnahme in die EU Verträge – in vollem Umfang umgesetzt und auch weiterentwickelt wird, sondern vor allem nicht wieder aus diesen verschwindet.
Dies mag daran liegen, dass Kultur von jeher ein nationalistisch-ideologisch aufgeladenes Thema zu sein scheint, das die Mitgliedsstaaten für sich in Anspruch nehmen unter dem Hinweis auf das Prinzip der Subsidiarität und das regressive Argument des Verlustes einer angeblich konsistenten kulturellen Identität. Es ist auch kein Geheimnis, dass für manche Bereiche der EU-Politik die Rückgabe von Kompetenzen an die Mitgliedsstaaten überlegt und auch von vielen favorisiert wird. Generell stellt die Frage der Kompetenzverteilung eines der schwierigsten Themen im Konvent dar.
Ganz konkret beinhaltet der Forderungskatalog der EFAH Task Force zum Konvent unter anderem die Beseitigung der Hindernisse für breite grenzüberschreitende und innovative kulturelle Kooperation innerhalb und außerhalb der EU, eine konsequente Umsetzung von §4 des Artikels 151, der eine Berücksichtigung kultureller Belange in allen Regelungen der EU vorsieht („Kulturverträglichkeitsklausel“) und die Ersetzung des Prinzips der Einstimmigkeit durch Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit in kulturellen Belangen.
Unter dem Titel PROG UP. Future Culture Europe hat das eipcp (Europan Institute for Progressive Cultural Policies), u.a. in Partnerschaft mit EFAH, ein EU-Projekt erarbeitet, das über diesen unmittelbaren Bereich der Kultur hinausreicht. Fokusierend auf Aspekte wie radikale Demokratie und Partizipation, Transparenz und politischer Willensbildung befasst sich das transnationale Projekt mit der Frage nach den Visionen und Funktionen des kulturellen Feldes für die Entwicklung eines zukünftigen Europas.
Die Erwartungen und Hoffnungen waren sehr hoch an den Konvent als relativ neuartiges politisches Verfahren, das erst einmal – und zwar bei der Erarbeitung der europäischen Grundrechtscharta – eingesetzt worden war. Mittlerweile jedoch haben viele Unklarheiten bezüglich Struktur, Inhalten und Arbeitsmethoden für Ernüchterung gesorgt und kürzlich auch zur Bildung eines „Jakobinerklubs“2 geführt, dem u.a. auch die ÖsterreicherInnen Berger, Einem und Voggenhuber angehören.
Was die so genannte Zivilgesellschaft anbelangt, die sich vor allem über ein elektronisches Forum in die Diskussion einbringen soll, wird abzuwarten sein, welche Ergebnisse die Hearings mit der Civil Society bei der nächsten Plenarsitzung des Konvents am 24. und 25. Juni bringen. Der der Kontaktgruppe für Kultur vorsitzende Lojze Peterle gilt zwar als erzkonservativ und man darf sich nicht allzu viel erwarten, doch sollte der unabhängige Kulturbereich in jedem Fall in den nächsten Monaten die Gelegenheit nützen, sich für die Auseinandersetzung mit kulturellen Anliegen auf europäischer Ebene einzusetzen.
Therese Kaufmann
1 Artikel 151 des Vertrages von Amsterdam (Ex-Artikel 128 des Vertrages von Maastricht) regelt seit 1992, dass die EU einen Beitrag zur Herausbildung und Entfaltung des Kulturlebens in den Mitgliedsstaaten leisten soll, unter Wahrung ihrer nationalen und regionalen Vielfalt sowie unter gleichzeitiger Hervorhebung des gemeinsamen kulturellen Erbes. Weiters tritt der Artikel für die Förderung kultureller Kooperation zwischen den Mitgliedsstaaten ein, wobei die Aktivitäten der EU immer nur als Ergänzung zu den Maßnahmen der Mitgliedsstaaten zu verstehen sind. Zuvor besaß die EU keine legistischen Kompetenzen im Kulturbereich. 2 Der ‚Jakobinerklub‘ (in Anspielung an ‚Les Jacobins‘ in der französischen Revolution) ist ein Zusammenschluss reformorientierter Mitglieder der Konvents, die eine kritische Position gegenüber dem Präsidium unter der Führung Giscard d’Estaings einnehmen und die Arbeit des Konvents in Richtung eines konkreten Verfassungstextes vorantreiben wollen. Zu den Mitgliedern gehören neben den genannten ÖsterreicherInnen, Delegierte aus Frankreich, Luxemburg, Finnland, Spanien, Großbritannien, Slowenien und Deutschland.