Stefan Haslinger über die Relevanz von Gender Mainstreaming für Kulturinitiativen.
„Es gibt kein anderes persönliches Identitätsmerkmal in unserer Kultur, das einen vergleichbar gravierenden Einfluss auf das alltägliche Verhalten und die symbolische Selbstdarstellung und Kommunikation von Individuen hat, wie das Merkmal Geschlecht.“1 Und dies sollte sich anlässlich eines Gendertrainings für Kupf-Mitglieder und Vorstand bewahrheiten.
Die Frage nach einem gender-gerechten Umgang oder nach der Möglichkeit „gegenderter“ Institutionen ist immer eine Frage nach der Bewusstwerdung der eigenen Identität. Das Individuum als kleinster Teil – und als solcher einer Fülle von gesellschaftlichen Determinanten ausgesetzt – muss sich der eigenen Identität vergewissern, um darin auch die damit verbundene Macht zu erkennen.
Das soll hier als ein Ziel von Gender genannt werden, neben dem anderen zentralen Punkt des Empowerments. Darunter ist das Erkennen des eigenen Machtpotentials zu verstehen, wobei Macht nicht im negativistischen Sinne verstanden werden will, sondern vielmehr die Entwicklung von Macht, gemeinsam mit anderen Menschen, ohne neuerlich hierarchische Strukturen und Unterdrückungsmechanismen aufzubauen. In diesem Sinne müssen bestehende Machtverhältnisse erkannt und an ihrer Aufhebung gearbeitet werden. Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die determinierende und hierarchische Struktur schlechthin die patriachale Norm ist.
Was – zweifelsohne – zur ersten und nicht einzigen Problematik in der Arbeit am Thema führt. Warum wird zuallererst der Sexus als ‚Anschauungsbeispiel‘ hergenommen, wenn es doch bei Gender um viel mehr gehen soll? Wird damit nicht einer Aufhebung der Frauenpolitik zugunsten von Gender Vorschub geleistet? Geht es um ein Obsolet machen bzw. Subsumieren von Frauenforderungen in einen Gender-Kontext?
Vielleicht geht es um pure Simplifizierung. Eine – wenn nicht die – vordergründig und schnell fassbar zu machende Determinante in der Konstruktion von Geschlecht (sic!) ist der Sex, das biologische Geschlecht. Gerade in dieser Einfachheit der Festschreibung – wenngleich diese wandelbar ist – liegt eine für alle nachzuvollziehende Basis einer Auseinandersetzung. Die Gefahr, die damit einherläuft, ist natürlich die der Reduktion. Wenn das biologische Geschlecht der einzige Indikator in der Analyse bleibt, so hat Gender versagt. Die Gender-Analyse wird erst durch ein Patchwork von Indikatoren möglich und griffig. Doch wie Gitta Mühlen Achs schrieb, ist eben das Geschlecht das gravierendste Identitätsmerkmal und der beeinflussende Faktor in der Kommunikation.
Die Frage nach den anderen Indikatoren muss gestellt werden. Die Gewichtung, die Wertigkeit derselben ist abzuwiegen. Doch immer wieder stellt sich die Frage der Relevanz, nach dem „Wozu?“ Welchen Nutzen hat der/die Einzelne, bzw. die Organisation davon?
Die Schwierigkeit in der Vermittlung ist jene der Ergebnis-Orientierung. Gender ist ein Prozess. Ein Prozess, der Arbeit bedeutet. Und gerade diese Arbeit macht den Prozess wohl zu einem der spannendsten. Denn die Arbeit, die im Prozess Gender hauptsächlich bzw. anfänglich verankert ist, ist die Arbeit an der Person, an sich selbst. Die Bewusstwerdung, das Erkennen individueller Machtkonstruktionen. Das könnte Gender heißen. Und nach diesem „Anfang“ der kein Ende finden kann, setzt sich der Prozess fort und greift auf Gemeinschaften, Organisationen über. Gender ist zu einem Gutteil eine Willensfrage. Erst durch das Bekenntnis, sich darauf einzulassen, passiert die Ermöglichung. ‚There is more difference within the sexes than between them!’2
Warum aber nun Gender für die Kupf? Christina von Braun meinte im Vorwort zu „Gender-Studien“3: „Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass die gender-Kategorie stärker als die Feminismus-Kategorie, die häufig als Ausschluss- bzw. Ausgrenzungskategorie verstanden worden ist, ein Angebot auch an männliche Wissenschaftler darstellt, sich mit der Konstruiertheit ihrer eigenen und der in Texten vermittelten Geschlechtsidentität auseinanderzusetzen.“ Und auch wenn dieses Zitat sich auf einen wissenschaftlichen Kontext bezieht, so geht es doch auch für die Kupf um eine Reflexion der eigenen Arbeit. Denn im Erkennen der Einflussfaktoren und der Berücksichtigung der sozialen, bestimmenden Indikatoren liegt die Möglichkeit des in Frage Stellens und Umdenkens.
1 Gitta Mühlen Achs, Geschlecht bewusst gemacht, 1998 2 Ivy Compton-Burnett 3 Inge Stephan (Hg.): Gender-Studien. Eine EInführung. 2000