Luigi Gabinetto über Herrn und Diener, die Krone, Elfriede Jelinek und Günther Nenning.
Als ich in den letzten Tagen wieder einmal den Versuch unternommen habe, meine „kulturelle Intellektualität“ aufzubessern um den „Tiefpunkt jeglicher Kultur“ zu überwinden, bin ich auf folgenden Witz gestoßen: Ein Bürger in einem kleinen Mühlviertler Nest ist hundert Jahre alt geworden. Ein Reporter der „Freistädter Rundschau“ gratuliert und nutzt die Gelegenheit für ein Interview mit dem Jubilar. Reporter: Wie läuft der Tag so ab, wenn man so ein hohes Alter erreicht hat? Jubilar: Jo, in da Fruah, do muass i amoi brunzn. Reporter: Und wie geht der Tag weiter? Jubilar: Jo dann muass i meistens scheissn. Reporter (schon etwas ungeduldig): Ja und wie verläuft der Tag dann weiter? Jubilar: Ja, und dann denk i schee langsam ans aufstehn.
Warum muss ich, seit ich diese Mühlviertler-Zote gehört habe, immer an Günther Nenning denken? Der Grund ist wahrscheinlich weniger das Alter, als dass Nenning so schreibt, wie der Witz-Jubilar lebt. Ein besonders ungustiöses Beispiel hat dieser „Wurstel“ wieder geliefert, als er als treuer Diener seines Herrn Dichand auf dermaßen larmoyant-trenzerische Weise gegen Elfriede Jelinek gesudert hat, dass eine Lebensmittelvergiftung eine angenehme Sache dagegen ist.
Was war geschehen? Elfriede Jelinek hatte es gewagt, eine – übrigens brillante – Analyse über die Medienkonzentration in Österreich und den Niedergang des Politischen, über die dialektische Wechselwirkung zwischen rabiatem Stammtisch und den hetzerischen Kampagnen der „Kronenzeitung“ anzustellen.
Dass dabei Dichand, der in ungeheuerlicher Treffsicherheit den radikalen Stammtischwillen zu bedienen versteht (trotzdem aber jede größere Aktion von Meinungsforschungsinstituten austesten lässt), nicht ganz gut ausgestiegen ist, müsste also klar sein.
Nicht für Nenning. Er tut zumindest so. Es reicht nicht, dass er wöchentlich in seiner „Krone der Dichtung“ auf die österreichische Autorenschaft losgeht (denn wenn er, egal was, über Schriftsteller schreibt, ist das ein Losgehen). Er muss in subalternem vorauseilenden Gehorsam seinen Herrn und Gebieter verteidigen, dass einem die Schamlosigkeit, mit der er in den Arsch kriecht, nur peinlich sein kann. Er redet Jelinek per „Du“ an, jammert, dass sie Dichand nicht zu einem Gott hochstilisieren soll (was sie nie getan hat) und attestiert: „Wenn eine große Autorin untergehen will, und dass du untergehen willst, bemerke ich schon lange in deinem Schreiben und Sprechen, so kann man sie tragischerweise nicht aufhalten.“ Dass er nachhelfen möchte, verkneift er sich.
Selten ist mir so etwas verschlagenes und würdeloses untergekommen. Er war auch schon ein Reaktionär als die Österreichische Volksgemeinschaft in Hainburg konstituiert worden ist. Es war nur eine Frage der Zeit, dass er zu den Marienanbetern und Kerzerlstiftern übergelaufen ist. Endlich ist er wirklich daheim angekommen. Dem ganzen müsste man keine so große Bedeutung zumessen, würde die „Kronenzeitung“ ihre Hetze gegen Elfriede Jelinek (in der Zwischenzeit auch gegen Gerhard Haderer) nicht schon kampagnenmäßig betreiben. Da ist zum einen der törichte Nenning. Und Wolf Martin hat mehrmals ein Schäuferl draufgelegt. Der Stammtisch versteht diese Botschaft. Wenn es nach ihm ginge, sollten nicht nur Bücher, sondern auch die Dichter brennen.
„Die Massen lesen die Kronenzeitung, das heißt, sie hören sich selber beim Denken zu, ohne zu ahnen, dass man ihnen nur gibt, was sie je, immer schon gedacht haben, im Gegenteil, sie freuen sich, dass es welche gibt, die sagen, was sie immer schon gesagt haben, nur besser, schneller, schwärzer, und damit wird der Prozess des Denkens abgebrochen, noch ehe er beginnen kann. (…) Gerade die Uninteressierten, die Mehrheit also, wird zu einer Horde, einer Meute, einer Hetzmeute von Uninteressierten.“ Elfriede Jelinek
Luigi Gabinetto