Vorbildlich Prekär

Rückschau auf eine Veranstaltungsreihe der TKI – Tiroler Kulturinitiativen/IG Kultur Tirol und der Tiroler Künstlerschaft zu Arbeitsbedingungen im Kulturbereich.

 

Von Gudrun Pechtl

Flexible Jobs ohne fixe Anstellung, wechselnde Brotjobs kombiniert mit Projektaufträgen, Werkverträge, geringfügige Beschäftigungen, schlechte Bezahlung für hochqualifizierte Arbeit ? das sind typische Formen von Erwerbsarbeit im Kulturbereich. Und damit sind diese Szenarien auch wesentlicher Teil der immer wiederkehrenden Fragestellungen in der alltäglichen Arbeit der IGs im Kulturbereich, so auch der TKI als Interessenvertretung der autonomen Kulturinitiativen und der Tiroler Künstlerschaft als Plattform bildender KünstlerInnen. Fragen, die sich rund um die Arbeitsformen Einzelner auftun, können nun einerseits immer wieder geduldig beantwortet werden: Einkommensgrenzen, KünstlerInnensozialversicherung, Arbeitsrecht… Andererseits individuell aber nie verändert, aufgelöst, befriedigend gestaltet werden.

Dass es sich hier um politische und gesellschaftliche Problemstellungen handelt, wird im Grunde wohl kaum eineR bestreiten. Trotzdem fehlt(e) in Tirol hierzu bisher eine weiterreichende öffentliche kulturpolitische Debatte. TKI und Künstlerschaft haben sich mit der Veranstaltungsreihe ?vorbildlich prekär? vorgenommen, mit dieser Debatte und damit auch mit einer Politisierung dieser Fragen zu beginnen.

Am Beginn der Veranstaltungsreihe stand eine Podiumsveranstaltung, die den Versuch unternahm, die Arbeitsbedingungen von KünstlerInnen und KulturarbeiterInnen in ein kritisches Verhältnis zu den Idealen und Praxen der neoliberalen Marktwirtschaft zu stellen. Stefan Haslinger (KUPF OÖ, Waschaecht, Wels) als Moderator, Andrea Mayer-Edoloey (KUPF OÖ, FIFTITU%, Linz), Daniela Koweindl (IG bildende Kunst, Wien) und Monika Manzl (Unternehmensberaterin, Innsbruck) gaben der Diskussion die inhaltlichen Impulse. Dabei wurden einerseits anhand vieler Beispiele die vielfältigen prekären Rahmenbedingungen für die Arbeit der cultural worker aufgezeigt, gleichzeitig aber auch grundsätzlichere Fragestellungen in die Diskussion eingebracht. Zentral war dabei z.B. die Frage nach KünstlerInnenbildern, nach Selbstidentifikationen mit Freiheitsbegriffen, die längst von der postfordistischen Marktideolgie vereinnahmt und umgewertet worden sind. Zentral auch, wie wohl immer in dieser Debatte, die Frage nach Strategien und Allianzen.

Die etwa 50 BesucherInnen der Diskussion blieben in den von ihnen eingebrachten Statements und Fragen allerdings meist eng an den konkreten Problemstellungen ihres prekären Alltags. Es zeigte sich deutlich, wie unüberschaubar und überfordernd die Organisation des Überlebens als Kulturschaffende häufig ist. Und es zeigte sich auch, dass hier noch wenige konkrete, kollektivere Strategien entwickelt wurden. Zumindest in Tirol gibt es viel Vereinzelung und kaum funktionierende Netzwerke/Allianzen. Allerdings wurde gleichzeitig auch deutlich, wie wichtig Allianzen und Vernetzungen sind, um politische Forderungen durchsetzbar zu machen. Und damit ist eine Politisierung jedenfalls ein Stück weit gelungen.

Im zweiten Modul der Veranstaltungsreihe wurden in Kooperation mit dem Leo-Kino zwei Filme gezeigt, die auf unterschiedliche Weise die Verwertungslogik der ?new economy? auf- und angreifen. ?Sitzend überleben? (Carolin Schmitz, Deutschland 2001) beschäftigt sich mit der Organisierung von Körpern/AkteurInnen zu ?Unternehmen?. In Überlagerung von Werbeelementen für einen ergonomischen Super-Sessel, Interviewelementen und der Dokumentation streng kadrierter Architekturtableaus entsteht eine Karikatur der Effizienzmaximierung im neoliberalen Kreativmarktsegment. ?Dunkler Lippenstift macht seriöser? (Kathrin Rothe, Deutschland 2003) ist eine Auseinandersetzung mit den Funktionsweisen der so genannten ?Ich-Aktie?: Rothe zeigt in ihrem Film ? mit nicht immer ganz geglückter Ironie ? die beinharte Selbst-Vermarktung bei der Jobsuche. Als dritten Teil von ?vorbildlich prekär? konzipierte Monika Manzl, Unternehmensberaterin mit viel eigener Praxis in der Kultur- und NGO-Arbeit, das Ganztagesseminar ?Und davon kannst du leben?? Arbeiten im Kunst- und Kultursektor ? steuerliche, arbeits- und sozialrechtliche Bedingungen?. Manzl zeichnet sich in der Vermittlung der Inhalte besonders dadurch aus, dass sie die Kleinstrukturiertheit und Vielschichtigkeit der Organisations- und Arbeitsformen im Kultursektor mitdenkt und die daraus resultierenden Problemstellungen auch politisch angreift und nicht nur ?individualisiert?.

Die nun abgeschlossene Reihe hat in Tirol mit einer Debatte begonnen, die in dieser Kompaktheit und Kürze nur angerissen werden konnte. Doch die Auseinandersetzung geht weiter: Das Projekt ?work:out? des Innsbrucker Kollektivs k.u.u.g.e.l wurde kürzlich bei TKI open 05 zur Förderung ausgewählt. Das Arbeitsprogramm work:out wird sich unterschiedlicher Aktionsformen bedienen, um den herrschenden Subjektivierungs- und (Selbst-)Optimierungsmechanismen auf die Schliche zu kommen und ihnen ein Konzept der Selbstorganisation und Selbstermächtigung entgegen zu setzen…

Gudrun Pechtl