Gegensätzlichkeiten, die viel miteinander zu tun haben

Andi Liebl berichtet über die Diskussion anlässlich der Präsentation der Studie ?Im Sog? oder ?gegen der Strom?

 

Neben der umfangreichen Analyse einer StudentInnengruppe der Johannes Kepler Universität zu „Wege freier Kulturarbeit in Oberösterreich“ (vgl. KUPF-Zeitung) erscheint mit einer Arbeit von Dr. Conrad Lienhardt eine weitere Studie zur Arbeit freier Kulturinitiativen in Oberösterreich. Titel: ?Im Sog? oder ?gegen den Strom?, Schwerpunkt der Untersuchung: das ökonomische Umfeld kulturinitiativer Arbeit

Die Diskussion
3. November 2004, Kunstraum Goethestraße. Um einen runden Tisch versammeln sich Gegensätzlichkeiten, die vieles miteinander zu tun haben, deren Welten aber doch weit voneinander entfernt zu liegen scheinen. So offenbart es sich zumindest im Verlauf des im Ansatz auch gemeinsamen Gesprächs. VertreterInnen aus der Kulturinitiativen-Praxis sowie politisch Verantwortliche und ausführende Beamte waren der Einladung von Studienautor Lienhardt gefolgt um besagter Studie diskursiv Aufmerksamkeit zu verschaffen. Gemessen an den Reaktionen des Publikums, die mittels Kärtchen die Möglichkeit hatten zu intervenieren und Fragen zu stellen, reichte die diskursive Kraft jedoch nicht aus um einander wesentlich näher zu kommen.
Klärungsbedarf besteht allemal, zudem von politischer Seite genannte Themen relativ vage blieben und der Interpretation gehörigen Spielraum eröffneten. Daran konnte auch nichts ändern, dass Günther Trübswasser angesichts wachsender FörderwerberInnen und der Begrenztheit der Mittel eine Schwerpunktsetzung, ja sogar eine Repolitisierung der Kulturförderung forderte. Mit anderen Worten: weg von der Gießkanne, hin zu Zielvereinbarungen und Wirkungsorientierung und Nachhaltigkeit.

Genauso der Linzer Kulturstadtrat Dr. Watzl, der an seine Verantwortung als Politiker erinnerte, Geldvergabe einer gewissen Qualitätskontrolle zu unterziehen, wobei unklar blieb, um welche Qualitäten es sich handeln soll. Weniger kryptisch gab sich SPÖ-Vertreter Eidenberger, der mit den Aussagen aufhorchen ließ, dass ein Hinterfragen schon angebracht sei: Gerade einmal 2% des Landeskulturbudgets werde für Zeitkultur aufgewendet und dazu im Gegensatz ist das Musikschulwerk, gesetzlich verankert wohlgemerkt, ein Monster öffentlicher Mittelvergabe. Auf 1000 Euro Bezuschußung bringt es ein Schüler bzw. eine Schülerin im Jahr, und das bei einer Gesamtanzahl von 42000.

Wohin das natürlich führen soll bleibt unklar, oder will die SPÖ die ÖVP davon überzeugen, ihr Kind Musikschulwerk zugunsten der Zeitkultur auf Diät zu setzen? Wohl kaum. Aber reizvoll bleibt der Vergleich allemal, denn hier werden einerseits Rahmenbedingungen geschaffen, die andererseits nur in den kühnsten Träumen breit akzeptierte Realität darstellen. Der zuständige Beamte für Zeitkultur von Seiten des Landes Mag. Josef Ecker macht das in seinen Ausführungen zur Förderpraxis deutlich: Personalkosten werden in diesem Bereich eher nicht beziehungsweise äußerst ungern übernommen. Und puncto Qualitätskriterien äußert Ecker grundsätzliche Bedenken: Eine zu fixe Festschreibung wäre auch im Sinne der KulturarbeiterInnen nicht sinnvoll, da diese dadurch Spielraum verlieren.

Durch VertreterInnen von Kulturinitiativen kamen bei der Diskussion die EmpfängerInnen öffentlicher Förderungen zu Wort. Rubia Salgado von der Initiative MAIZ machte deutlich, dass die Ausführungen der Poliker zur kulturpolitischen Ausrichtung ihrer Partei sehr fein klingen mögen, aber mit dem Blick auf die Praxis die Dinge dann doch gänzlich anders gelagert seien: Die Praxis ist markiert von Ausschließungen. Es gibt keine formellen Ausschlusskriterien, aber am Weg zu den Fördertöpfen bleiben viele auf der Strecke (vergl. Artikel: Stagnation = Erfolg, Seite 10).
Auch den angesprochenen Schwerpunktsetzungen und Qualitätskontrollen wurde Skepsis entgegengesetzt: Gerade PolitikerInnen unterliegen einem gewissen Druck an Popularität, da fallen dann Maßnahmen für z.B. Minderheiten wohl eher spärlich aus. Und der Umgang mit Evaluierung ist aus der eigenen Arbeit bekannt, es ist allerdings unabdingbar, dass die Kriterien selbst formuliert werden. Stefan Haslinger von der Welser Initiative Waschaecht sowie Udo Danielczyk von der Kulturplattform OÖ unterstrichen diese Skepsis mit den Fragen nach den Zweck der angesprochenen Maßnahmen. Geht es hier gar um die bessere Überprüfbarkeit der Vereine und deren Inhalte?

Die knapp dreistündige Diskussion war geprägt vom Anreißen von Thematiken, Plänen und Absichten mit entsprechenden Entgegnungen und Bedenken. Transparenz, Schwerpunktsetzung, Evaluierung und Repolitisierung der Kulturförderung oder mehrjährige Fördervereinbarungen und Landeskulturleitbild sind Begrifflichkeiten, die uns in der kulturpolitischen Auseinandersetzung in den kommenden Jahren wohl oder übel begleiten werden. Ob von politischer Seite aus die Bereitschaft besteht, auf die Erfahrungen der freien Szene zurückzugreifen und damit zu arbeiten, wird sich weisen.

Die Untersuchung

Den Aussagen und Interpretationen in der Arbeit „Im Sog? ? oder ? gegen den Strom“ liegen 14 Interviews mit Kupf Mitgliedsvereinen sowie die Auswertungen eines allgemein gehaltenen Fragebogen zugrunde, den die InterviewpartnerInnen vorab gebeten wurden auszufüllen. Eckpunkte der Interviews, die in Form von Gesprächen geführt wurden, waren Fragen zu den Beziehungen zu Fördergebern, zur Finanzierung, Drittmittelaquisition, inhaltlichen Einflussnahmen der Geldgeber, strategischen Planung, Eigenfinanzierung und Administration in der kulturinitiativen Arbeit. Bei der Auswahl der GesprächspartnerInnen wurde darauf geachtet, neben den unterschiedlichen Regionen auch die Größen, Schwerpunktsetzung und Gründungszeiten der Initiativen zu berücksichtigen.

Entsprechend vielschichtig gestalten sich auch die Antworten und persönlichen Schlussfolgerungen des Autors in der Arbeit, die immer wieder mit Zitaten aus Publikationen der Interessensvertretungen IG Kultur Österreich und KUPF-Kulturplattform OÖ sowie von PolitikerInnen versehen ist. Der Fokus der Untersuchung liegt in den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen kulturinitiatver Arbeit, umfasst aber auch einen grundsätzlichen Blick hinter die Kulissen der Kulturinitiativen. Damit ist dem Autor durchaus gelungen, vorgelagerte Prozesse und strukturelle Bedingungen kulturinitiativer Arbeit aufzuzeigen. Sowohl für Insider als auch für bloß Interessierte eine spannende Lektüre, einer weiterführenden Debatte, wie es sich auch Studienautor Lienhardt wünscht, kommt diese Arbeit jedenfalls entgegen.

?Im Sog – oder – gegen den Strom?, eine Untersuchung oberösterreichischer Kultur-
initiativen in einer ökonomisierten Umwelt. Von Dr. Conrad Lienhardt, gefördert im Rahmen des KUPF-Innovationstopf 2003. Zu beziehen ist dieses Textwerk als Down-load unter kupf.at oder telefonisch im Büro der Kulturplattform unter 0732 / 794288. O-Töne der Diskussionsveranstaltung sind in einer Radiosendung der Kulturplattform OÖ dokumentiert und über das CBA, das Cultural Broadcasting Archive abzurufen: http://cba.fro.at/show.php?eintrag_
id=3046

Liebl Andi