Vom Fluss der Zeit

Einige KUPF-Mitgliedsvereine feiern heuer runde Geburtstage. Drei davon erfahren an dieser Stelle eine Laudatio.

 

Von Andi Wahl.

Eine der augenfälligsten Eigenschaften der Zeit ist, dass sie vergeht. Unterschiedlich schnell im übrigen, je nach dem, wie schnell man sich bewegt. Bewegt man sich mit Lichtgeschwindigkeit (so behauptete zumindest Albert Einstein) vergeht die Zeit nicht. Die Frage, wie lange ein weiches Ei bei Lichtgeschwindigkeit kochen muss, hat Einstein aber meines Wissens nicht beantwortet.

Aber nicht nur unter den Bedingungen der Lichtgeschwindigkeit bereitet die Zeitmessung der Menschheit seit jeher Probleme. Auch unter „normalen“ Bedingungen, wenn man sich nur so schnell bewegt wie man eben hatschen kann, gehört die Zeitmessung zu einem ungelösten Problem. Das ist nämlich wieder so ein Fehler in der Schöpfung. Die Erde vollführt (wenn wir jetzt nur im Bezugssystem unseres Sonnensystems bleiben) im Wesentlichen zwei Bewegungen. Einmal kreist sie um die Sonne (das bestimmt ein Jahr) und zum anderen dreht sie sich um die eigene Achse (das bestimmt unseren Tag- und Nachtrhythmus). Das wäre ja eine einsehbare Ordnung. Das Blöde ist aber, dass diese zwei Bewegungen so gar nicht zusammenpassen. Da ist beim Urknall irgendetwas schief gelaufen oder der Herrgott hat sich vertan, als er der Erde ihren Drall mitgab.

Auf jeden Fall ist die Dauer eines Jahres (Umlauf der Erde um die Sonne) nicht ordentlich durch die Tage dividierbar. Da kommen unbrauchbare Werte heraus. Die Erde braucht nämlich ungefähr 365 Tage, 5 Stunden, 48 Minuten, 46 Sekunden und 8 Hunderstel für eine Sonnenumrundung. Die Lösung, alle vier Jahre einen Tag einzuschieben1, ist nur ein Hilfskonstrukt um das Dilemma ein wenig zu mildern. Dazu müsste die Erde nämlich 365 Tage und 6 Stunden unterwegs sein. Die tummelt sich aber und ist um schwache 11 Minuten und 14 Sekunden zu schnell. Papst Gregor XIII versuchte noch einige Tricks2, bekam das Problem aber auch nicht vollständig in den Griff.

Vorbehaltlich aller dieser Fragen, wie schnell die Zeit eigentlich vergeht und wie dies zu messen ist, begehen dieses Jahr drei KUPF-Vereine runde Geburtstage. Der „Spielraum Gaspoltshofen“ etwa wird 10 Jahre. Die Local-Bühne Freistadt feiert ihr 20-jähriges Bestehen und die Migrantinnen-Organisation MAIZ aus Linz hat bereits 100 Jahre auf dem Buckel. Wobei MAIZ, eingedenk der ohnehin dubiosen Maßeinheit Zeit (siehe oben), wohl gleich einige Buckel zusammengezählt hat. Drei Vereine, die sich unter anderem durch ihre besondere Außenwirkung auszeichnen. Oder um es klarer zu formulieren: Drei Vereine, die in ihrer Umgebung wirkliche Pionierarbeit und Entwicklungshilfe betrieben haben. So ist der „Spielraum“ bereits seit Jahren die zentrale kulturelle Institution in Gaspoltshofen. Kooperationen mit der Musikschule, umliegenden Vereinen, Tanztheatergruppen, Chören und der örtlichen Bandszene belegen dies. Ohne den Spielraum wäre Gaspoltshofen nicht, was es heute ist. Und darum wurde auch dem Spielraum 2004 verdientermaßen der „Landespreis für Initiative Kulturarbeit“ zugesprochen, wozu die KUPF recht herzlich gratuliert.

Noch tiefere Spuren hat die Local-Bühne Freistadt im Unteren Mühlviertel hinterlassen. Die Freistädter hatten ja auch doppelt soviel Zeit wie die GaspoltshofenerInnen. Mit der Local-Bühne und ihrem Film- und Kabarettprogramm zog so etwas wie Weltläufigkeit in die Bezirkshauptstadt ein. Alleine das Heimatfilmfestival, das mit den Jahren immer erfolgreicher und zugleich sperriger wurde, zählt alljährlich zu den Highlights des oberösterreichischen Kulturgeschehens. Ganz zu schweigen von den zahlreichen KabarettistInnen, die sich in der Local-Bühne ihre ersten Sporen verdienten. Wolfgang Steininger misst Erfolg allerdings in anderen Kategorien. So freut ihn vor allem, dass heute Filme mit englischen Untertiteln kein Problem mehr sind. „Das lässt mich wieder an die Lernfähigkeit des Menschen im Allgemeinen und der des Mühlviertlers im Speziellen glauben.“ Auch das demokratische Problem, dass er und seine Schwester Hedi immer das letzte Wort hatten (da sie auch für alle Kredite bürgten) sieht er als entschärft. Die jungen Leute lassen sich heute einfach nicht mehr soviel gefallen. Und auch die Biologie hat ihren Anteil an der Demokratisierung der Local-Bühne. Wolfgang und Hedi müssen einfach etwas kürzer treten. Diese Freiräume nutzen dann andere ? und es funktioniert ebenso gut.

Die zuletzt zu ehrende Organisation ist die Migrantinnengruppe MAIZ. Ihr Beitrag zur Entwicklung ihrer Umgebung ist ebenso unschätzbar wie der des Spielraums und der Local-Bühne. Die Leistungen von MAIZ im Bereich der Anerkennung von MigrantInnenkultur, im Diskurs um moralischen (gutmeinenden) Antirassismus, im Kampf um Rechte und Anliegen von Sexarbeiterinnen und noch einiges mehr sind bereits heute legendär. Vor allem aber hat MAIZ zur Bildung und zur Horizonterweiterung von PolitikerInnen und BeamtInnen beigetragen. Diese profitierten von der MAIZ-Arbeit mehr als ihnen in hunderten Nachschulungen und Workshops hätte beigebracht werden können. Stadtverwaltung, Landesregierung und die KUPF bedienen sich immer wieder gerne dessen, was von MAIZ entwickelt wird.

Und gerade diese Leistungen sind es, die ich anlässlich dieser runden Jubiläen herausstreichen möchte: Der Anteil von Kulturinitiativen an der Weiterentwicklung und der ständigen „Blutauffrischung“ der bürgerlich-herrschenden Kultur. Die strukturelle Blutlehre des Bürgertums führt dazu, dass sie alles um sich aufsaugt und integriert. Ein Sog, dem sich Kulturschaffende kaum entziehen können. Für viele in die Jahre gekommene Initiativen stellt sich daher die Frage, wie sie ihre eigene Entwicklung zwischen Opposition und Integration überstanden haben. Wie sehr konnte man die eigene Umgebung beeinflussen und wie groß sind die Deformationen, die man in dieser Zeit hinnehmen musste? Fragen, über die es sich zu diskutieren lohnt ? gewiss. Aber erst wird einmal gefeiert! Happy Birthday!

1 Julianischer Kalender 2 Um die zu rasche Zeitrechnung abzuschwächen wurde bestimmt, dass alle 100 Jahre ein Schaltjahr ausfällt ? allerdings nicht wenn das Jahr durch 400 teilbar ist. So war 2000 ein Schaltjahr, 1900 jedoch nicht.

Local-Bühne Freistadt Salzgasse 25, 4240 Freistadt Tel.: 07942/ 77 733 http://www.local-buehne.at, office@local-buehne.at

Maiz Hofgasse 11, 4020 Linz Tel.: 0732/77 60 70 http://www.maiz.at, maiz@servus.at

Spielraum Gaspoltshofen Fading 8, 4673 Gaspoltshofen Tel.: 07735/6294 http://www.spielraum.at, office@spielraum.at