Andrea Hummer interviewt Martin Fritz, den neuen Leiter des Festival der Regionen.
Das Festival der Regionen (FdR), eines der größten dezentralen zeitgenössischen Kulturfestivals in Österreich, das seit 1993 biennal stattfindet, hat einen neuen Leiter. Der in Wien lebende Martin Fritz folgte mit Jahreswechsel dem bisherigen Führungsduo Ferry Öllinger (der sich verstärkt seiner Schauspielerkarriere widmet) und Uli Böker (nun Bürgermeisterin von Ottensheim).
KUPF: Martin, wie würdest du dich selbst beschreiben?
Martin Fritz: Meistens habe ich unterschrieben mit Projektorganisator und Kurator. Es war immer eine schwierige Frage für mich, weil ich an diese Trennung zwischen rein konzeptuellen und rein praktischen bzw. technischen Arbeitsgebieten nicht glaube. Mir ging es immer um eine Einheit von pragmatischen und konzeptuellen Faktoren in Kunstprojekten. Meine Selbstbeschreibung war in diesem Sinn immer an dieser Schnittstelle angesiedelt. Manchmal mit einem mehr pragmatischen Schwerpunkt, manchmal mit einem mehr konzeptuellen Schwerpunkt.
Warum hast du dich beim FdR beworben, was interessiert dich an diesem – laut Eigendefinition – „Nahversorger mit kultureller wie geistiger Lebensqualität“?
Grundsätzlich interessiert mich der übergreifende Ansatz, der weit über das hinausgeht, was man normalerweise unter Interdisziplinarität versteht. Hier geht es nicht nur um spartenübergreifende Arbeit innerhalb der Kunst zwischen Bildender Kunst, Musik und performativen Formen, sondern auch um die Einbeziehung von Alltagskultur, von Wissenschaft, von Politik, von Nicht-Kunst.
Welche Schwerpunkte willst du setzen, welche Ansatzpunkte für Veränderungen kristallisieren sich für dich bereits heraus?
Ich habe mich fürs Festival der Regionen beworben, weil es mir sehr gut gefällt. Insofern gibt es auch keinen Anlass, an seinen Grundpfeilern Sprengsätze anzubringen. Mir geht es primär um eine Präzisierung der Eigenarten und um eine Erweiterung der Bezugsfelder. Was mich zum Beispiel sehr interessiert: Wie kann man Regionalität und Lokalität überregional und international diskutieren. Bisher hat es geheißen, das Festival der Regionen wäre das größte dezentrale Festival Oberösterreichs. Ich spreche lieber von einem der größten zeitgenössischen Kulturfestivals Österreichs. Dass es jetzt bereits eines der interessantesten Festivals Mitteleuropas ist, steht für mich außer Zweifel. Nur das muss noch besser und breiter durchdringen.
Heißt das, dass du verstärkt in Richtung Internationalisierung gehen willst?
Es steht ja eine stärkere internationale Vernetzung des Festivals auch in den vom Vorstand beschlossenen Zielen. Es geht darum, besser und präziser auch über die Grenzen zu kommunizieren, worum es beim Festival geht und auch darum, sich in überregionale und internationale Beziehungen zu setzen, zu Kunstschaffenden, zu Partnern, zu einer interessierten Öffentlichkeit – auch einer professionellen Öffentlichkeit –, die sich außerhalb von Oberösterreich bzw. auch außerhalb von Österreich mit Fragestellungen wie jenen des Festivals beschäftigen. Es geht darum, sich in ein Beziehungsnetzwerk zu setzen, das es mittlerweile überall auf der Welt für solche Themen und solche Fragestellungen gibt.
Gibt es bereits Vorstellungen oder konkrete Ideen zum Thema das nächsten Festivals?
Wir werden im März die Ausschreibung veröffentlichen und sind jetzt noch in der Themendiskussion. Man ist ja im Festival glücklicherweise kein Egomane, es gibt einen Vorstand, mit dem die Themenfindung diskutiert wird. Ich kann nur sagen, dass wir Themen überlegen, die sich aus dem Stifter-Jahr – sozusagen aus dem Kosmos des Stifter’schen Werks – herleiten lassen. Das heißt aber nicht, dass sich das Festival direkt mit Stifter beschäftigen wird. Wir untersuchen alle möglichen Ansätze, die sich aus Stifters Literatur ergeben, um eine Haltung zum Stifter-Jahr zu entwickeln.
Beim FdR konnten immer auch Projekte, die zwischen Kunst und Politik angesiedelt waren, realisiert werden. Wie wichtig sind dir solche Projekte?
Mich interessiert Politik sehr und mich interessiert Kunst sehr und mich interessieren auch Projekte, wo beides sich in einer interessanten Form verbindet. Aber ich brauche nicht unbedingt die Kunst, um mich für Politik zu interessieren. Das interessiert mich eben am Festival. Man kann zum Festival eine Fraueninitiative, eine MigrantInnen-Initiative direkt einladen, die müssen nicht unbedingt durch das Kunst-Nadelöhr gehen. Ich denke, es sollte Interesse von beiden Seiten geben ohne das andere Feld zu funktionalisieren. Ich kann mit politischer Kunst viel anfangen, aber eben nicht nur mit politischer Kunst etwas anfangen. Ich kann mich durchaus auch mit Kunst oder Kultur beschäftigen, die sich nicht in ganz direkter Weise den politischen Realitäten widmet.
Was hältst du von Quoten z.B. in Bezug auf Frauen- oder MigrantInnenprojekte?
Es ist immer so, dass am Anfang die verschiedensten Interessensgruppen ihre Quoten-Forderungen einbringen. Das geht von einer lebhaften Diskussion mit VertreterInnen von Fiftitu% nach einer Präsentation im Depot in Wien, wo natürlich – und berechtigter Weise – Frauenquoten oder die stärkere Sichtbarkeit von Frauen im Festival eingefordert wurde, bis zu Vorstellungen einer Privilegierung von Oberösterreichern. Ich kann mit Quoten und anderen Vorgaben im Prinzip ganz gut umgehen. Frauenquoten interessieren mich und wir diskutieren das auch. Natürlich hofft man trotzdem, durch zu formelle Vorgaben dann nicht auf interessante Projekte verzichten zu müssen, nur weil sie nicht in ein vorgegebenes Paritätsraster passen.
Als Leiter des FdR bist du praktisch in der Rolle eines Fördergebers. Wie willst du diese Rolle ausgestalten?
Auf der Ebene der Umsetzung habe ich im Lauf der Jahre mit so vielen Budgets und pragmatischen Dingen zu tun gehabt, dass ich glaube, ProjektträgerInnen sehr gut beraten zu können. Zum Beispiel, wenn man bei Budgets schnell erkennt, dass bestimmte Kosten unterschätzt wurden. Ich kann mit niedrigen Budgets gut arbeiten und ich kann mit hohen Budgets gut arbeiten. Ich habe aber Probleme mit Budgets, die am Anfang sehr günstig sind und dann plötzlich immer mehr steigen. Insofern habe ich auch Verständnis für höhere Budgetierungen, wenn sie zweckmäßig und nachvollziehbar sind und habe natürlich auch Verständnis, wenn sich das in Honorar- und Gagenansätzen widerspiegelt. Der Fleischhauer nimmt auch kein symbolisches Kapital als Bezahlung, wenn ich mir eine Wurstsemmel kaufe. In dieser Realität leben wir und das sind Dinge, die auch bei Kulturprojekten zu berücksichtigen sind.
Wie stehst du zu PolitikerInnen, die Kunstfestivals eröffnen und wie verhältst du dich zur Forderung, PolitikerInnen der jetzigen Regierungsparteien keine Repräsentationsflächen zur Verfügung zu stellen?
Ich habe schon Mitte der 90er-Jahre in einem Gastkommentar im Standard die Forderung nach Distanzkultur gestellt, jedoch sowohl an die Kulturschaffenden wie auch an die Kulturpolitiker – das war schon lang vor irgendwelchen Regierungswechseln. Mich haben diese gegenseitigen Huldigungen ja schon immer genervt – ganz egal, ob das freundliche Sozialdemokraten oder bekämpfte Rechtsaußen waren. Nur kann man natürlich auch nicht so tun, als wäre das Festival der Regionen ein Underground-Club – das Land ist nun einmal einer der größten Finanziers.
Meine Hoffnung ist, dass vernünftige und diskrete Kulturpolitiker schon selbst wissen, dass es andere gibt, die besser dazu geeignet sind, Kulturfestivals zu repräsentieren, über die Inhalte zu sprechen, dort ihre Plattformen zu finden: Intellektuelle, Künstler, Organisatoren. Im Vordergrund sollten schon immer die stehen, die es tatsächlich machen. Insofern vertraue ich da auf gute und professionelle Distanzkultur, die diese Sichtbarkeiten vorher bespricht und die politische Seite schon selbst weiß, wie dominant oder diskret ihr Auftritt sein wird.
Welchen Zeitraum hast du dir gesteckt, als Leiter des FdR zur Verfügung zu stehen?
Der Festivalvorstand und ich sind sehr gespannt auf die Zusammenarbeit für die nächsten zwei Jahre, also für das Festival 2005. Danach hat der Vorstand die Möglichkeit zu sehen, ob die Erwartungen erfüllt wurden. Ich werde das dann auch für mich selbst überprüfen. Jedenfalls gibt es von beiden Seiten das Interesse längerfristig zusammen zu arbeiten.
Danke für das Gespräch.