Ein Resumee zum FM@dia Forum in Prag und Freistadt
von Thomas Kreiseder
Zwischen dem 10. und 13. Juni fand in Prag und Freistadt das vom Verband Freier Radios Österreich in Zusammenarbeit mit Radio Jeleni in Prag, Radio FRO und einigen Initiativen aus Slowenien, Deutschland und Tschechien veranstaltete FM@dia Forum statt. Über 100 Menschen aus den verschiedensten Bereichen zivilgesellschaftlichen Engagements in Europa kamen
Im Verlauf des Transfers (Hlavni Nadrazi Praha – Bahnhof Freistadt) der TeilnehmerInnen des FM@dia Forums bleibt mir erstmals Zeit, über die Geschehnisse während einer Veranstaltung, die als Treffen zur Strategieentwicklung für kulturellen Austausch und Zusammenarbeit konzipiert war, zu reflektieren. Ein Kollege von Radio Tandem http://www.radiotandem.it aus Bozen spielt mir gerade die Aufnahme einer Rede von Gianfranco Fini, dem „Führer“ der rechten Alleanza Nazionale vor. Dabei fühle ich mich in die späten 30er Jahre zurückversetzt. „Italiani di Bolzano!“ schallt es mir entgegen und trotz meines brüchigen Italienisch verstehe ich, dass hier jemand einen italienischen Nationalstolz und ein starkes, unnachgiebiges Auftreten gegenüber „denen dort oben“ in Brüssel beschwört. Tobendes Bozener Publikum.
FM@dia und das erweiterte Europa Die ersten Wahlen in einem Europa der 25 fielen mit dem FM@dia Forum – Vernetzungstreffen der Freien Medien in Zentral- und Osteuropa – zusammen. Der Titel dieser Veranstaltung sollte für die Überwindung einiger Separierungen stehen: zwischen den verschiedenen Mediensektoren wie TV, Internet, Radio, NGO-Medium und der üblichen Konferenzkonstellation von PräsentatorInnen und ZuschauerInnen. Ganz einfach: FM wie Radio. F-Media wie Free Media. @ wie das Internet. Forum wie Alle sollen mitreden. Außerdem wollte man dazu beitragen, das immer noch bestehende Paradigma vom „Westen“ und „Osten“ Europas zu überwinden.
Der interkulturelle Austausch von Initiativen, die an ähnlichen Strategien arbeiten, sollte angeregt und verstärkt und Community Medien als fester Bestandteil der europäischen Medienlandschaft reklamiert werden. Diese bilden eine wertvolle Ergänzung zum homogenen Einheitsbrei der Mainstream Medien, welche in einer Abwärtsspirale des kleinsten gemeinsamen Nenners Sensationen als Information „verkaufen“. Im NoD, einem ehemaligen jüdischen Theater in der Prager Altstadt, trafen sich überraschend viele – über hundert – AktivistInnen aus verschiedensten Bereichen und Organisationen: Indymedia http://de.indymedia.org, Freie Radios, Internet, feministische Organisationen, Open Source Initiativen und auch NGOs. Der Verband Freier Radios in Österreich, Hauptorganisator von FM@dia, hatte es geschafft, Menschen aus Dänemark bis Serbien und Russland bis Frankreich zusammenzubringen, die sich in der sonstigen Konferenz- und Symposienlandschaft wohl nicht begegnet wären.
Wo aber steht die europäische Zivilgesellschaft? Wir hören beispielsweise von Ales Ancipienka, einem Philosophen und Medienwissenschafter, dass im totalitären Weißrussland häufig Prozesse wegen „Verleumdung des Präsidenten“ gegen kritische JournalistInnen geführt werden. Auf der anderen Seite berichtet Rui Monteiro von Online/More Colour in the Media http://www.multicultural.net/ über das dänische Projekt eines MigrantInnen-TVs http://www.indvandrertv.dk/. Ethnischen Minderheiten soll dabei die Chance gegeben werden, sich zu artikulieren und in der Medienlandschaft sichtbarer zu werden. Wir bemerken dieses West-Ost-Gefälle der Chancengleichheit und fragen, wie wir uns gegenseitig unterstützen können. In der deutschsprachigen Version der Presseaussendung wird die Veranstaltung ja auch als Ost-West Dialog angekündigt. Was mir nicht weiter komisch vorkommt, bis ich mich mit Leuten aus Ungarn und der Slowakei unterhalte, denen die Polarisierung von Ost und West, welche sich häufig auf subtilste Weise zeigt, anscheinend schon lange sauer aufstößt.
Kulturelle Diversität Tschechische Initiativen sind nicht allzu viele vertreten in Prag. Obwohl sich das OrganisatorInnenteam bemüht hat, die lokale, zersplitterte Szene mit einzubeziehen und einzuladen, lernen wir die tschechische Zivilgesellschaft nur am Rande kennen. Existiert sie überhaupt? Milos Vojtechovsky, Initiator des Projektes, meint im Nachhinein, dass sich in Tschechien während des Kommunismus eine besonders starke Aversion der Menschen gegenüber Medien entwickelt habe. Wegen des hohen Potentials zivilgesellschaftlichen Widerstands in Tschechien sei die kommunistische Propaganda mit noch unnachgiebigerer Intensität betrieben worden. Eine Wahrnehmungsverschiebung im Bezug auf diese Einstellung zu Medien hätte in der Bevölkerung seit der Samtenen Revolution kaum stattgefunden. Lokale Organisationen fühlten sich demnach vom FM@dia Forum nicht angesprochen bzw. sogar abgeschreckt. Das Branding der Veranstaltung als „FM@dia“, also Medientreffen, war keine optimale Entscheidung.
Als Treffen „Freier“ Medien, einem Adjektiv, das im kulturell heterogenen Europa ebenfalls nicht auf unumschränktes Verständnis stößt, hatten es die OrganisatorInnen nicht leicht, flächendeckend RepräsentantInnen zum Forum zu bringen. Was in Österreich beispielsweise „frei“ bedeutet, mag woanders als gänzlich „unfrei“ angesehen werden. In vielen Ländern, die vor 1989 unter kommunistischer Herrschaft standen, kann nämlich keine Rede von mitteleuropäischer Freiheit im Sinne von unkommerziellen Aktivitäten sein. Werbung oder Abopreise bleiben oft als einziges Mittel zum wirtschaftlichen Überleben. Im Angesicht dieser Realitäten wurde der Begriff „Freie Medien“ im Laufe der Vorbereitung auch schleichend mit „Community Media“, also Medien, die für Gemeinschaften und den Menschen offen sind und eine partizipative Ausrichtung haben, ersetzt.
EU adé Ich vermute, dass Gianfranco Fini und die „ItalienerInnen von Bozen“ nicht allzu viel von partizipativen Medien, die Funktionen abseits der KonsumentInnenbefriedigung erfüllen, halten. Mit den Resultaten der Europawahl vom 13. Juni wurden unter anderem politische Kräfte in den europäischen Strukturen gestärkt, die, im Sinne der Alleanza Nazionale, Fremdenfeindlichkeit, Intoleranz und Ausgrenzung vorantreiben. Die von Medienkonzernen gesteuerte Berichterstattung spielte dabei eine wohl nicht unbedeutende Rolle. FM@dia richtet sich mit seinen Zielsetzungen gegen diese Politik und versucht Initiativen, die fortschrittliche Medienarbeit leisten, zu vernetzen. Prag war ein vielversprechender Anfang dazu. Ob es im nächsten Jahr, wie bereits diskutiert wird, zu einem weiteren Treffen in Belgrad kommt, hängt nicht zuletzt von den Motivationen und Visionen der dortigen Aktiven ab. Vielleicht tut es ganz gut, die Lösung für Probleme in der Medien- und Gesellschaftspolitik EU-Europas außerhalb dessen (momentanen) Grenzen zu suchen.
Thomas Kreiseder ist Mitarbeiter von Radio FRO, Mitglied des FRO- Vereinsvorstandes und Produktionsleiter des FM@dia Forums.
http://fmedia.ecn.cz