Michaela Neumayr über geschlechtergerechte Budgeterstellung.
Was die Gleichstellung von Frauen und Männern mit Budgetgestaltung zu tun hat, ist inzwischen international bekannt und diskutiert: Öffentliche Budgets spiegeln die ungleichen gesellschafts- und damit auch geschlechterbezogenen Machverhältnisse wider und erzeugen sie stets aufs neue. Mit Hilfe des Instruments des Gender Budgeting können Budgets und deren Erstellungsprozesse aus geschlechtsspezifischer Sicht durchleuchtet werden, sodass eine Gestaltung von geschlechtergerechten Budgets, welche die Bedürfnisse von Frauen und Männern gleichwertig berücksichtigen, möglich wird.
In Gemeinden, Städten, in den Ländern und auf Staatsebene – aber auch in vielen Organisationen – werden Budget- und Finanzfragen meist einigen wenigen ExpertInnen oder PolitikerInnen überlassen. Die von diesen präsentierten Zahlen über die Ausgaben und die Einnahmen des Haushaltes werden als das Ergebnis von Sachzwängen und als unabhängig von Interessen dargestellt, sie gelten allgemein als geschlechtsneutral. Tatsächlich ist die Gestaltung von Budgets in Kommunen und Organisationen aber stark von strukturellen Machtverhältnissen abhängig, die Ressourcenverteilung stellt ein zentrales Instrument der Politik dar. Gender Budgeting setzt hier die geschlechtsspezifische Lupe an und zeigt auf, welche bislang unerkannten Auswirkungen die Budgetgestaltung auf das Leben von Frauen und Männern hat und wie diese dazu beiträgt, die ungleichen Geschlechterverhältnisse zu verfestigen oder abzubauen.
Ansatzpunkte geschlechtergerechter Budgetgestaltung Gender Budgeting setzt auf zwei unterschiedliche Ebenen an: Erstens wird der Prozess der Budgeterstellung untersucht, um die Mitsprachemöglichkeiten von Frauen zu identifizieren. Dies kann anhand folgender Fragen erfolgen: Wer sitzt an den verantwortlichen Budgetstellen? Über welches Verfahren werden diese Stellen besetzt? Wer darf über Budgetangelegenheiten entscheiden, wer mitsprechen? Wer besitzt das Wissen, um das Budget zu durchschauen? Wie transparent, demokratisch und partizipativ gestaltet sich der Budgeterstellungsprozess?
Zweitens wird die Ausgestaltung des Budgets einer geschlechtsspezifischen Prüfung unterzogen. Dabei werden die einzelnen Budgetposten und deren Volumen hinterfragt, allen voran daraufhin, wohin das Geld jeweils fließt und wer die NutznießerInnen der Ausgaben sind. Eine Gemeinde könnte sich fragen, wem Ausgaben für öffentliche Nahverkehrsmittel eher zugute kommen, ob eher Frauen oder Männer auf diese angewiesen sind und sie nutzen. Ein Kulturverein könnte sich fragen, ob seine Veranstaltungen eher die Interessen von Frauen oder Männern abdecken. Diese Fragen können oft durch Verknüpfungen der Budgetzahlen mit anderen Studien beantwortet werden, hier beispielsweise über eine Statistik über geschlechtsspezifische Verkehrsnutzung. Allerdings kann leider nicht für alle Bereiche auf bereits vorhandene geschlechtsspezifische Daten zurückgegriffen werden. Ebenfalls zu hinterfragen ist, ob über bestimmte Budgetausgaben Frauen- oder Männerarbeitsplätze geschaffen werden.
Hier könnte sich ein Kulturverein fragen, zu welchen Anteilen er Künstlerinnen oder Künstler engagiert und wie viel Budget dafür jeweils ausgegeben wurde. Zusätzlich sollte darauf geachtet werden, wie durch die Budgetgestaltung die Aufteilung der bezahlten und unbezahlten Arbeit zwischen Männern und Frauen beeinflusst wird. Dazu könnte innerhalb von Organisationen gefragt werden, welche Tätigkeiten bezahlt und welche ehrenamtlich geleistet werden und wer diese jeweils durchführt. Auch die geschlechts-spezifischen Lenkungseffekte und Folgewirkungen der Budgetgestaltung müssen beleuchtet werden: So sind es oft Frauen, die keinen eigenen Pkw besitzen und auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen sind – ohne öffentliche Verkehrmittel wird deren Mobilität und somit deren Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, aber auch am Erwerbsleben, eingeschränkt. Werden im Kunst- und Kulturbereich beispielsweise kaum Frauenbands und Künstlerinnen engagiert, können sie sich nur schlecht etablieren. Frauendominierte Bereiche bleiben dadurch eher unbeachtet und die Chance von Frauen, sich in männerdominierten Bereichen einen Namen zu machen, ist ebenfalls gering. Und wenn junge Frauen keine Vorbilder in der Szene vorfinden, wird sich auch in der nächsten Generation an den Geschlechterverhältnissen nicht viel ändern
Die praktische Umsetzung In kleinen Organisationen und Vereinen sowie auf Gemeindeebene ist eine erste geschlechtsspezifische Analyse des Budgets relativ leicht durchführbar. In Tulln beispielsweise zeigte eine Gemeinderätin anhand des Kommunalbudgets die Benachteiligungen von Frauen und Mädchen in den Bereichen Straßenbau und Verkehr, Soziale Wohlfahrt und im Bereich der Subventionen auf. Generell stellt Gender Budgeting keine bestimmte Vorgehensweise dar, sondern es sind unterschiedlich weit reichende Zugänge möglich. Ein erster Schritt ist beispielsweise das Sichtbarmachen von Frauen und Männern in der Budgetpolitik und das Aufzeigen geschlechtlich unterschiedlicher Wirkungsweisen. Aber auch das Aufstellen eines alternativen, gleichstellungsorientierten Budgets durch das Umschichten von Budgetposten kann als Zielsetzung des Gender Budgetings gewählt werden.
Bisher gewonnene Erfahrungen internationaler Budgetinitiativen, aber auch jener aus Tulln, und praktische Hilfestellungen für die Durchführung einer Initiative können nachgeschlagen werden in: „Gender Budgeting – Handbuch zur Umsetzung geschlechtergerechter Budgetgestaltung“. Das Handbuch ist im Mai 2004 erschienen kann über www.beigewum.at heruntergeladen oder bei infos@attac-austria.org kostenlos bestellt werden.
Mitautorin des Buches „Gender Budgeting – Handbuch zur Umsetzung geschlechtergerechter Budgetgestaltung“.
Michaela Neumayr studierte Volkswirtschaft und Wirtschaftspädagogik