Was einem so durch den Kopf gehen kann beim Zeitungslesen, schreibt Stefan Haslinger.
Eigentlich, so denke ich mir, ist es schön, wieder einmal das Wort Kulturpolitik in der Zeitung zu lesen und, so denke ich mir, in Zusammenhang mit dem Wort Schwerpunkt ist das noch schöner. Dann denk ich mir noch, dass beide Wörter zusammen an Bedeutung gewinnen, wenn kulturpolitische Schwerpunkte von einer Partei mit Regierungsverantwortung ins Spiel gebracht werden. Doch mit dem subjektiv, positiv konnotierten Denken ist Schluss, wenn ich die realpolitische Komponente in das Gedankenkonglomerat Einzug halten lasse.
In den OÖN vom 18.6.05 präsentierte der grüne Clubobmann Gunther Trübswasser, zwei Schwerpunkte, vor der Wahl 2003 waren es noch zehn, für die Kulturpolitik. Nicht schon wieder Erbsenzählen, denk ich mir.
Stellen wir zur Abwechslung eine Frage: “Welche Bedeutung ist kulturpolitischen Schwerpunkten einer Partei beizumessen, welche mit dem Wechsel in die Regierung ein sukzessives Abstandnehmen und Relativieren von Forderungen praktiziert, um den Konsens mit dem mächtigen Partner nicht zu gefährden?” Diese Frage impliziert eindeutig eine Unterstellung. Und dazu stehe ich, angesichts der Verhältnisse, welche – um Brecht zu widersprechen – so sind.
Die Phrasen, welche als Schwerpunkte für die Integration und Weiterentwicklung der Kultur in Oberösterreich, verhandelt werden, sind dergestalt, dass sich niemand vor den Kopf gestoßen fühlen muss. “Was die oberösterreichische Kultur ausmacht, ist die Summe der Menschen, die hier leben.”, sagt Gunther Trübswasser. Bitte um ein Handzeichen, wer das nicht unterschreibt. Und Trübswasser wird in den OÖN weiter zitiert, dass es gelte, die integrative Kraft der Kunst zu nützen. Was in diesen Worten steckt, ist eine ausschließlich positivistische Umkehr des Kunstbegriffs, und eine Negation von Konfliktfeldern und Auseinandersetzungen welche durch Kunst und Kultur aufgebrochen werden. Das Lob der Nettigkeit als Schwerpunkt der Kulturpolitik.
Das Mahlen der Gebetsmühle, welches ein Mehr an konfliktfähiger Demokratie fordert, scheint zum Selbstläufer zu werden, angesichts der Abkehr von offensiv geführter Auseinandersetzung. Stattdessen nehmen mittlerweile auch die Grünen in der Verhandlung um Kunst- und Kulturarbeit von MigrantInnen eine paternalistische Haltung ein, von welcher zu hoffen war, dass sie der Vergangenheit angehört.
Was hinter diesem Paradigmenwechsel steckt, ist augenscheinlich darauf zurückzuführen, das Segment der KernwählerInnenschaft durch konsensfähige Aussagen zu erweitern. Wieder eine Unterstellung, wiederum stehe ich dazu. Wie auch anders könnte ich mir sonst eine Aussage erklären, wie sie unten in der Wortspende angeführt wird.
So denke ich mir, ich könnte einfach zum Zeitungslesen aufhören, dann müsste ich mir nicht solche Fragen stellen, aber das scheint auch keine Lösung zu sein. Deshalb wird es niemandem erspart bleiben, Auseinandersetzungen weiterhin zu führen, auch auf die Gefahr hin, dem Konsens abzuschwören.
Stefan Haslinger