Jubiläumsjahr 2005

Martin Wassermair über Machtinszenierung und Gegenstrategien

 

Jubiläen erfahren zur Zeit in Österreich eine Hochkonjunktur. Es erscheint nicht opportun, kritisch danach zu fragen, warum eigentlich Staat und Gesellschaft auf eine nationale Feierstimmung eingeschworen werden sollen. Dabei gibt es reichlich darüber nachzudenken. Das Jahr 2005 bietet die Gelegenheit zu Konflikt und Widerspruch.

60 Jahre Zweite Republik, 50 Jahre Staatsvertrag, 10 Jahre EU-Mitgliedschaft, 50 Jahre Bundesheer, 50 Jahre Wiedereröffnung von Staatsoper und Burgtheater sollen das Land 2005 in einen Festtaumel versetzen. Die Inszenierungen machten schon zum Auftakt deutlich, dass von diesem ?Gedankenjahr? – wie uns das aufwändige Regierungsmarketing glauben machen will keine tiefgründige Reflexionsleistungen zu erwarten sind. Was aber dann?

Das Jubeljahr ziele darauf ab, so erklärte Kunststaatssekretär Franz Morak schon im Frühjahr 2004, ?das Bewusstsein für entscheidende Zukunftsfragen zu schärfen und als Trampolin für die Zukunft zu dienen?. Derartige Floskeln können nicht unwidersprochen bleiben. In einem Zeitungskommentar konstatierte Barbara Coudenhove-Kalergi ?den späten Nachhall? eines Kulturkampfes, der an vergangene Zeiten erinnere. Es stünde vielmehr im Vordergrund, ?welches Bild von Österreich, seiner Geschichte, seiner Kultur, seiner Identität, sich allgemein durchsetzt.? Die liberal-bürgerliche Publizistin ist überzeugt: ?Dieses Bild ist ziemlich klar umrissen: Berge, Musik, Skifahren, Kaiserin Sisi und Hermann Maier, Mozart und Figl, Fremdenverkehr und Bio-Lebensmittel. Es ist ein Bild, an dem der ORF, die ‚Kronen Zeitung‘ und die ÖVP gemeinsam gemalt haben.? (Die Presse, 29. Jänner 2005)

Tatsächlich ist die mit den Regierungsfeierlichkeiten herumgereichte Ikonographie mit dafür Ausschlag gebend, dass die Kritik an Geschichtsverzerrung und Opfermythen sowie an Heimat-Tümelei und Identitätskonstruktionen seit Beginn des Jahres stetig anwächst. Damit diese auch sichtbar wird und nachhaltig in den öffentlichen Diskurs eingreift, hat sich bereits 2004 eine Plattform gebildet, der sich zahlreiche Personen, Projektgruppen und Organisationen aus den Bereichen Kunst, Kultur und Wissenschaft angeschlossen haben. Mit einem „Vorsorge-Paket gegen ein Jahr Heimat-Feiern“ soll sichergestellt werden, dass in der Produktion von Geschichtsauffassung emanzipatorische und bisweilen unterdrückte Perspektiven nicht gänzlich unter die Räder der massenmedial geölten Propagandamaschinerie geraten. Anhand von künstlerischen Interventionen, Diskussionsrunden und Medienprojekten sollen sich breite Öffentlichkeiten über die vielschichtige Problematik des Jubiläumsjahres informieren können.

Die Information der anderen Art ist dringend vonnöten. Jubiläen wollen vermeintliche Erfolgsgeschichten erzählen, positiv erlebbare Wahrnehmungswelten schaffen. Der Anspruch differenzierter Betrachtungsweisen ist mit Machtinszenierungen nicht vereinbar. Sie trachten vielmehr danach, Gemeinschafts- und Zusammengehörigkeitsgefühle über ritual-ähnliche Handlungen zu erzeugen. Die Rekonstruktion von Vergangenheit findet vor allem im Zeitalter der Massenmedien reichhaltige Möglichkeiten, emotional aufgeladene Bilder vorzuführen, die sich schließlich als kollektives Gedächtnis tief in der Gesellschaft festschreiben.

Diese Absicht scheint auch das zentrale Motiv bei ?25 Peaces? zu sein, einem Projekt von Georg Springer und Wolfgang Lorenz, die von Bundeskanzler Schüssel persönlich dazu beauftragt wurden. Ob eine nachgestellte Bombennacht als Multimedia-Spektakel, weidende Kühe vor dem Belvedere oder ein Staatsvertragsbalkon auf Rädern die 10 Millionen Euro teure History-Show ist ein anschauliches Beispiel dafür, wie diese Bundesregierung geschichtspolitische Verantwortung aus reinem Machtkalkül pervertiert.

Es ist daher umso notwendiger, der verklärenden Produktion von historischen Bildern „eigene“ Bilder entgegen zu setzen. Aus diesem Grunde lädt die Minus2005-Plattform mit Hilfe eines Kurzfilmwettbewerbs dazu ein, Sichtweisen zu entwickeln, die sich von den geläufigen Narrativen grundlegend unterscheiden. Nicht von ungefähr trifft dieses Vorhaben auf einen sehr zentralen Problembereich. Noch nie war die Medienlandschaft Österreichs so sehr von einer Dürre geplagt, wie sie sich im so genannten Jubiläumsjahr zu erkennen gibt. 2005 dient Bundeskanzler Schüssel ganz wesentlich zum Machterhalt. Den demokratischen Grundlagen der Republik droht jedenfalls weiterhin großer Schaden. Dass dies dem öffentlichen Interesse zuwider läuft, wird nicht von ORF, Kronen Zeitung und den Medienprodukten des Hauses Fellner zu erfahren sein. Hier sind Gegenstrategien aus dem Feld von Kunst, Kultur und politischem Aktivismus gefordert.

Martin Wassermair

Informationen zum Filmwettbewerb sowie zu anderen Aktivitäten der Minus2005-Plattform finden sich unter: www.oesterreich-2005.at

Martin Wassermair ist Geschäftsführer der Netzkultur-Plattform Public Netbase und kulturpolitischer Sprecher der IG Kultur Österreich.