20 Jahre music unlimited in Wels
von Stefan Haslinger
Streng subjektivistische Sichtweisen auf, und eine Würdigung des Festivals music unlimited, welches 2006 seine 20. Ausgabe erlebte.
In der KUPF Zeitung 118 nahm sich Martin Böhm der Festivalisierung Österreichs an, und stellte die nach ökonomischen Kriterien verwertbaren Festivals jenen gegenüber, die, mit der Triebfeder der Eigeninitiative und Selbstorganisation ausgestattet, nicht nach kommerziellem Verwertungsnutzen streben. Den Fokus legte Martin Böhm dabei auf Festivals, die mit Labels wie Jugendkultur, Rock/Pop etikettierbar sind. Jene Festivals aber, die sich von vornherein der „Ausgrenzung“ verdächtig machen, wurden nicht erwähnt. In den Verdacht der „Ausgrenzung“ kommen diese schon alleine durch den Umstand, dass das gebotene Programm nicht in das Feld der bloßen Konsumierbarkeit einzureihen ist, sondern das Publikum heraus-, und Auseinandersetzung einfordert. In Oberösterreich können zwei Exemplare dieser Programmatik lokalisiert werde. Das Kaleidophon in Ulrichsberg, und music unlimited in Wels. Letzteres erlebte heuer seine 20. Ausgabe. 20 Ausgaben eines Festival durchzuführen ist für sich genommen schon mal nicht schlecht. Dass dies aber zwanzigmal mit minimalen Strukturen, ehrenamtlicher (Selbst-)Ausbeutung und Litern von Herzblut passiert, sind wohl nur einige der zwingenden Garanten für das Gelingen von music unlimited in Wels.
20 Ausgaben music unlimited sind ein Beweis für die Wandelbarkeit und Flexibilität freier Kulturinitiativen. Die Starrheit war bei waschaecht, dem Verein, der hinter dem Festival steckt, noch nie Programm, und so ist auch die Erweiterung von music unlimited in seiner programmatischen Vielfalt bemerkenswert. War am Anfang doch ein gewisser Purismus im Umgang mit der musikalischen Auswahl spürbar, kamen bald die ersten rock-affinen Töne in das Festivalgeschehen, spalteten bald die ersten Computer auf der Bühne das Publikum und ließen lupenreine Dance- und HipHop-Acts so manchen Zweifel an der Bezeichnung „Jazzfestival“ laut werden. Und durchaus berechtigt ist der Zweifel, denn ein Jazzfestival ist music unlimited schon lange nicht mehr, wenn es denn je eines war.
Für die Musik gilt bei music unlimited immer: darauf einlassen. Waschaecht setzt nicht nur mit dem Festival, aber gerade dort, bewusste Akzente gegen ein bloßes Konsumieren, das im Kulturbereich so en vogue ist, dass jedes noch so kleine Konzert zum Event hochstilisiert wird. Music unlimited ist kein Event. Music unlimited ist die Begegnung mit vielleicht Neuem, das Wiedersehen mit Altbekanntem. Es ist aber – neben der Musik – auch das Erleben eines Prozesses. Diesen Prozess, oder auch dieses Phänomen, hat Andreas Fellinger 2003 in der Welser Rundschau als „soziales Gesamtkunstwerk“ beschrieben. Dieses soziale Gesamtkunstwerk macht zu einem Großteil die Einzigartigkeit einer Atmosphäre aus, wie sie bei music unlimited spürbar ist. Und es ist dem Kulturverein waschaecht zu verdanken, dass sie auch für das Publikum und die eingeladenen MusikerInnen spürbar ist.
Waschaecht ist sich gerade im Kontext von music unlimited seiner Rolle als autonome Kulturinitiative bewusst. Neben einer „sozialen“ Verantwortung übernehmen regionale Kulturinitiativen auch eine „politische“, und diese wird ernstgenommen. Dem dumpfen Antirassismus österreichischer Prägung setzt waschaecht bewusst die Kraft der Symbole entgegen, und montiert die Zeichen der türkischen Fahne (Halbmond und 5Zack) auf dem Plakat zum 20. Festival. Und auch dass die klassische Reproduktion tradierter Geschlechterrollen nicht immer zwingend ist, zeigt ein erfreulich hoher Anteil an Protagonistinnen auf der Bühne des Festivals. Music unlimited ist mittlerweile zu einer fixen internationalen Größe geworden. Dass diese Größe einhergeht mit der Notwendigkeit struktureller Absicherung, erscheint logisch, bedingt aber nicht den zwingenden Umkehrschluss, dass auch adäquate Förderungen kontinuierlich vorhanden sind. Gerade deswegen ist es umso bemerkenswerter, wie music unlimited nicht stehen bleibt, sondern ständig die Grenzen des vermeintlich Leistbaren sprengt. Es bleibt zu wünschen, dass das Herzblut nicht versiegt.
Teile dieses Artikels erschienen in der Novembernummer der Zeitschrift spotsZ.
Stefan Haslinger war 10 Jahre Mitarbeiter bei waschaecht und ist Geschäftsführer der KUPF – Kulturplattform OÖ
www.musicunlimited.at
www.waschaecht.at