Nationalratswahl 06 wird international

Amon Brandt und Ariane Sadjed zu den Fragen der Wahlbeteiligung von AusländerInnen.

 

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung ruft in Österreich lebende Ausländer zur Teilnahme an den Wahlen zum neuen Internationalrat auf.

Wien – In seiner letzten Sitzung vor den Wahlen im Oktober hat vergangene Woche eine überwältigende Mehrheit des Nationalrats beschlossen, in der kommenden Legislaturperiode eine politische Vertretung der ausländischen Bürger in dem höchsten Repräsentationsorgan der Republik zu installieren. Diese bahnbrechende Entscheidung geht auf eine lang geheim gehaltene Gesetzesinitiative der parteilosen Bundesintegrationsbeauftragten Dr. Ramona Khol zurück. „Jetzt erweist sich Österreich als weltweiter Vorreiter in Sachen Integration und ist damit den globalen Herausforderungen gewachsen.“, kommentiert Khol den Beschluss sichtlich zufrieden.

Die ca. 700.000 Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft werden gleichzeitig zur Nationalratswahl zu den Urnen gerufen, um ihre Vertreter in den neuen sog. „Internationalrat“(INR) zu wählen. Nach Khols Angaben handelt es sich dabei um eine dem Nationalrat übergeordnete Instanz mit Anhörungs-, Initiativ- und Vetorecht in allen gesetzgeberischen Belangen, die Ausländer betreffen. Dieser INR wird zudem aus seinen Reihen Staatssekretäre berufen, die jedem Minister der Regierung beigestellt werden.

Aktives und passives Wahlrecht genießen ausschließlich Bürger ohne österreichischen Pass. Khol, die sich selbst lieber „Migrationsbeauftragte“ nennt, betont im Gespräch mit dieser Zeitung, dass nur auf diese Weise eine vollwertige Integration der Interessen der Ausländer in die österreichische Politik gewährleistet sei: „Unsere ausländischen Mitbürger zahlen Steuern und müssen sich an die Gesetze dieses Landes halten. Trotzdem wurden sie bis heute von der Teilnahme an politischen Entscheidungsprozessen ausgeschlossen. Diese Situation widerspricht einem elementaren demokratischen Prinzip: wer auf Dauer von kollektiven Entscheidungen betroffen ist, muss auch das Recht haben, sich an ihnen zu beteiligen.“ Dieses Manko sei nun behoben, so Khol.

Österreich folgt damit einem internationalen Trend zur politischen Mitbestimmung von Migranten: einige europäische Staaten (u.a. Schweden, Norwegen, Dänemark, Finnland und die Niederlande) haben bereits in den letzten 30 Jahren das lokale oder auch regionale Wahlrecht für alle MigrantInnen – unabhängig von ihrem Herkunftsland – eingeführt. In anderen Ländern (z.B. Großbritannien, Portugal und Spanien) können bestimmte Ausländergruppen (aus ehemaligen Kolonien, aufgrund von Gegenseitigkeit oder gemeinsamer Sprache) teils auch auf nationaler Ebene wählen und gewählt werden. Und die EU legte 1992 im Vertrag von Maastricht fest, dass alle Unionsbürger an lokalen Wahlen und an den Wahlen zum EU-Parlament teilnehmen dürfen, unabhängig davon, in welchem Mitgliedsland sie gerade wohnen.

Neuseeland war aber bis jetzt das einzige Land, in dem Ausländer auch bei Parlamentswahlen gleichberechtigt sind. „Daran müssen wir uns orientieren,“ forderte Khol in der Parlamentsdebatte zu ihrer Initiative. „Wir müssen über den europäischen Tellerrand schauen und nach den besten Lösungsansätzen suchen, um den zentralen Widerspruch der national ausgerichteten Demokratie zu entkräften: den konsequenten Ausschluss der Migranten von gesellschaftlicher Partizipationsmöglichkeit.“ Khol betonte weiter, dass damit erstmals ein brauchbares Werkzeug zur Gewährleistung der Integration bereit stehe.

Die Haltung, dass die „Neuen“ sich um jeden Preis an Bedingungen anpassen müssen, die allein die Alteingesessenen stellen, sei undemokratisch und überholt. Die Forderung nach Integration, ohne irgendwelche Schritte in diese Richtung zu unternehmen, sei einer politischen Lähmung gleichgekommen. „Endlich gibt es ein Regulativ im Wahlkampf, durch das die Parteien ihre inhaltlichen Mängel nicht mehr auf dem Rücken von Ausländern austragen können. Ausländische MitbürgerInnen werden nun als aktive Wähler angesprochen und die Parteien müssen sich überlegen, wie sie um ihre Stimmen buhlen.“

Aus dem Parlament berichten Amon Brandt und Ariane Sadjed

Amon Brandt ist Journalist. Lebt und arbeitet in Wien und Berlin.

Ariane Sadjed ist Kulturwissenschafterin und Mitarbeiterin beim Verein maiz