Gernot Haupt’s Neuerscheinung hat Andi Wahl für Sie gelesen.
Gernot Haupt, ein Mensch mit dem ich seit einigen Jahren auf sehr komplizierte Weise verbunden bin, ist vieles: Ehemann, Vater, Germanist, Politikwissenschafter, Theologe, Projektmanager, Pädagoge und noch einiges mehr. Eines aber ist er nicht: ein Angeber. Darum hat er mir wohl auch nie erzählt, dass er gerade an einem wissenschaftlichen Werk zu Hintergründen der Roma-Feindlichkeit schreibt. Dementsprechend überrascht war ich, als er mir in einem Rundmail mitteilte, dass nun sein neues Buch beim Verlag bestellt werden könnte. Kein Sterbenswörtchen hatte er mir vorher gesagt. Aber so sehr er im Persönlichen das Understatement pflegt, so zäh und grundsätzlich, ja richtiggehend radikal, ist sein Engagement mit und für Roma in Rumänien. Diese Arbeit hat er nun auch mit seinem kürzlich erschienenen Buch „Antiziganismus und Sozialarbeit” auf ein wissenschaftliches Fundament gestellt. Umfassend informierend und doch noch kompakt auf etwas mehr als 300 Seiten arbeitet Haupt in diesem Buch die vielfältigen Aspekte des Antiziganismus heraus. Aber die Arbeit begnügt sich nicht mit historischen Rückblicken und Bestandsaufnahmen. In ihr plädiert Haupt für einen Perspektivenwandel: Integration kann keine einseitige Leistung sein, sondern bedarf auch Anstrengungen und Bereitschaft der Mehrheitsbevölkerung. Von „oben” gesetzte, staatliche Maßnahmen können bestenfalls die Möglichkeit der Integration schaffen, gemacht kann sie nur von den Menschen („auf beiden Seiten”) selbst werden. Aber auch allen Hilfswilligen hat Haupt einiges ins Stammbuch zu schreiben. Etwa wenn er im Resümee seiner Arbeit formuliert: „Wenn überall mangelnde Dokumentation und mangelnde Daten über die Situation der Roma beklagt werden, müssen sich diejenigen, die diese Fragen stellen, zuerst selbst einmal fragen lassen, warum sie Roma finden wollen und ob sie die Gefundenen als Roma finden wollen oder nur als abstrakte Zahlen zur besseren Handhabung eines Problems …” Haupts Buch kommt in einem Moment, in dem es einerseits eine große Bereitschaft gibt sich verstärkt mit Minderheiten und auch mit Roma zu befassen und es andererseits im Zuge des europäischen Einigungsprozesses zu neuem Aufleben des Antiziganismus, vor allem in Osteuropa, kommt. Also genau zur rechten Zeit, um in laufende gesellschaftliche Diskussionen eingreifen zu können.
Gernot Haupt, Antiziganismus und Sozialarbeit 344 Seiten, Verlag Frank & Timme, ca. € 36,80, ISBN: 3865960766, 2006
Andi Wahl ist ehemaliges KUPF-Vorstandsmitglied und studiert derzeit Geschichte.