Am liebsten würde ich ewig so weitermachen!

Ein Werkstattbericht von Andi Wahl zur KUPF-Publikation.

 

Was ein Kollateralschaden ist, wissen Sie ja wahrscheinlich. Ein nicht beabsichtigter (manchmal aber in Kauf genommener) Schaden, der bei einer Aktion „passiert”. Aber was ist das Gegenteil davon? Wie sagt man zu einem unbeabsichtigen und unerhofften Gewinn? Kollateralgewinn oder einfach Glück?

Ich habe ja oft solche Schwierigkeiten mit den Wörtern. Oft brauch ich eines und kann nirgends das richtige finden. Dann wieder gibt es vollkommen unnötige oder unlogische Wörter. „Unwirsch” zum Beispiel. Jeder weiß, dass man seinen Mitmenschen nicht „unwirsch” (unfreundlich, mürrisch) gegenübertreten soll. Soll man also „wirsch” sein? Nein, auch das nicht. Denn nach Österreichischem Wörterbuch bedeutet dies: unfreundlich, abweisend, verärgert. Na, was jetzt? Nicht unwirsch sein und nicht wirsch. Da soll einer nicht unfreundlich, mürrisch und verärgert reagieren – eben unwirsch. Oder wirsch. Na, ist ja im Augenblick auch egal. Ich wollte Ihnen ja eigentlich etwas über meine Kollateralgewinne, mein Glück erzählen: Seit einiger Zeit treibe ich Texte für eine KUPF-ist-endlich-Zwanzig-Festschrift ein. Eine schöne Tätigkeit im Übrigen. Ich kann viele Leute anrufen, die ich schon fast aus den Augen verloren habe, und sie um einen Text bitten. Die freuen sich, dass ich an sie gedacht habe, und ich freue mich, weil ich wieder einmal etwas von ihnen höre. Mit Mitter Günter zum Beispiel, habe ich gleich am Telefon ein langes und interessantes Gespräch geführt. Josef Ecker von der Landeskulturdirektion hat, als ich meinen Namen nannte, erschrocken ausgerufen: „Ja gibt’s dich auch noch immer?!”. Ich freu’ mich, wenn sich die Leute an mich erinnern. Ob im Guten oder im Bösen ist dabei zweitrangig. Aber ich wollte Ihnen ja von meinem Glück erzählen. Die Texte, die ich bekomme, sind nämlich nicht nur als Texte sehr interessant und lehrreich (für mich), sondern sie passen auch wunderbar zusammen. Nicht so sehr, dass ein Text da weitermacht, wo der andere geendet hat, nein, eher wie chemische Reaktionen. Wenn man zwei Substanzen zusammenschüttet und gespannt beobachtet, was da draus wird.

Ein Beispiel: Sylvia Amann, einst Geschäftsführerin der KUPF, habe ich in einem Interview mit der These konfrontiert, dass sie der KUPF den Machismo ausgetrieben habe. Sylvia konnte dieser Sichtweise durchaus etwas abgewinnen:

Das war ganz bestimmt so. Obwohl ich nicht weiß, ob das alles Machos waren. Sagen wir, es waren ältere Herren in unterschiedlichen Variationen und Ausprägungen. Man kann sicherlich Primetzhofer, Prieler, Stöckel oder Stockinger nicht in eine Schublade pressen. Da war jeder für sich ein Einzelexemplar.

Im Interview, das ich mit Franz Prieler führte, lässt dieser den männlichen Flair, der einmal die KUPF durch wehte, wieder auferstehen, wenn es um die Angriffe der FPÖ gegen die KUPF im Jahre 1994 geht.

Ich habe schon meine Grenzen, wo ich böse werden kann, und wenn mich jemand anbrunzt, brunz ich zurück, da hab’ ich auch heute noch einen ordentlichen Strahl.

Brunzen! Das sagt heute in der KUPF nur noch Eva Immervoll. Und auch nur dann, wenn etwas wirklich „brunz-dumm” ist. Aber es gibt auch ganz andere Arten von Zusammenhängen. So etwa, wenn Michaela Schoissengeier und Otto Tremetzberger unabhängig voneinander in die gleiche Kerbe schlagen. Tremetzberger geht in einem sehr durchdachten Beitrag auf das Verhältnis der KUPF zu ihren Mitgliedsvereinen ein. Besonderes Augenmerk legt er auf die fortgesetzten Bemühungen der KUPF, die eigenen Mitgliedsvereine immer wieder dazu zu animieren politischer, künstlerischer, gesellschaftskritischer oder sonst irgendwie „anders” zu werden. Dabei stützt Tremetzberger sich auch auf ein Buch des Philosophen Peter Sloterdijk (Die Verachtung der Massen).

Nicht erst seit Peter Sloterdijk vermuten wir aber, dass jede Entwicklungsarbeit ohne die Kränkung des zu Entwickelnden gar nicht zu haben ist. Jedes Entwicklungsprogramm muss seinen Adressaten beleidigen, sobald es ihm zu verstehen gibt, er sei noch nicht, was er werden soll. Wer entwickeln will, lässt sich zum Nicht- Entwickelten herab. Diese inhärente Logik der Verachtung ist vielleicht das eigentliche Dilemma der KUPF und prägend für das Verhältnis des Dachverbandes mit seinen vor allem regionalen Mitgliedern.

Tremetzberger kommt bei seinen Betrachtungen zu einem sehr interessanten und bedenkenswerten Schluss. Den will ich aber noch nicht verraten, sonst schaut mir wieder keineR in die Festschrift, weil sie/er denkt, das Wesentliche ohnehin schon in der KUPF-Zeitung gelesen zu haben. Dennoch reizt es mich, den Schleier, den ich über die tremetzbergschen Schussfolgerungen breite ein wenig zu lüften. Allerdings mit einem Textausschnitt aus dem Beitrag von Michaela Schoissengeier:

Weiters geistert der hartnäckige Mythos bei der KUPF herum, weiß der Himmel von wo er herkommt, die Kulturinitiativen seien unpolitisch, setzen sich nicht mit inhaltlicher Arbeit auseinander und machen eh „nur” Veranstaltungen und das ist ihnen (der KUPF) gar nicht recht! Jede Region hat ihre eigenen Themen und Bedürfnisse, deren Zugang ist vielfältig und kann oft als unpolitisch bzw. unkritisch interpretiert werden, dem ist aber nicht so! (…) Oft sind es die kleinen, feinen, subtil versteckten Botschaften, die da draußen wirken und die müssen in Linz nicht unbedingt verstanden werden – doch wert geschätzt, das wäre nicht schlecht!

Aber nicht nur das (unverhoffte) Zusammenspiel einzelner Beiträge ist etwas, das mich mit Freude erfüllt, sondern viele Beiträge sind wahrhafte Kleinode in sich. Andrea Mayer-Edoloeyi etwa nimmt die Leserschaft regelrecht an der Hand und führt ihr vor, wie man Dinge neu denken kann. Sie nimmt einen Denkansatz aus dem feministischen Diskurs und wendet ihn auf Freie Medien an. Und heraus kommt nicht irgend ein Gedankenkonstrukt, das sich Mayer-Edoloeyi in ihrem interdisziplinären Schädel zusammengemixt hat, sondern schon fast so etwas wie eine Handlungsanleitung. Ganz anders Franz Fend. Unerbittlich und mit einem Gedächtnis wie ein Elefant weist er der KUPF Fehler um Fehler nach und stellt ihr immer wieder die gleichen Fragen: Was bedeutet das in der Wirklichkeit? Wie wirkt sich das Handeln der KUPF wirklich auf die Machtverhältnisse aus?

Wie eine gestrenge Gouvernante zeigt Fend auf jeden Fleck im Bett des Zöglings. Und er muss den Vorwurf gar nicht mehr aussprechen: Was hast du da wieder angestellt? Wie einem jungen Kätzchen, das wieder einmal auf den Teppich gemacht hat, wird einem die Schnauze in den eigenen Dreck gerieben. Man weiß, dass man wieder böse war, und sehnt sich nach dem Rohrstab, der gleich über die ausgestreckten Finger sausen wird, denn dann hat diese Tortur endlich ein Ende. Wenn auch nur ein vorläufiges. Bis zur nächsten ideologischen Spindkontrolle.

Mit jedem Beitrag, den ich durchsehe, meine Korrekturen anbringe und den VerfasserInnen Änderungsvorschläge mache, wächst mein Erkenntnisstand und meine Einsicht in die zahllosen Facetten der KUPF. Am liebsten würde ich ewig so weitermachen. Beitrag an Beitrag reihen, sie neu gruppieren, weitere Beiträge einholen und mit Überschriften überlegen. Aber irgendwann muss ich die Sache wohl in den Druck geben. Schade.

Andi Wahl ist ehemaliges KUPF Vorstandsmitglied und studiert derzeit Geschichte.