(Hinter-)Gründe zur Kampagne SexarbeiterInnen haben Lust auf … ihre Rechte!
von Ulrike Stieger.
Sexarbeit und SexarbeiterInnen sind nicht gerade weit verbreitete Begriffe. Als Prostitution oder Pornografie werden sie vielleicht in der (negativ verwendeten) Konnotation verstanden. Oder eben, Sie/Du gehören/st zu jenen, die sich, angeregt von Diskursen oder Arbeit von Organisationen wie maiz, bereits mit Sexarbeit familiär gemacht haben. Mir scheint es als wesentlicher Punkt, an dieser Stelle auf die Bedeutung des Begriffs hinzuweisen, denn durch ihn kommen wir zu weiteren Aspekten, die „dank” Tabuisierung und Stigmatisierung nicht wirklich in den Köpfen von uns allen verankert sind. Ein wesentlicher Aspekt in der Sexarbeit ist die Ent-rechtung. Zu diesem Thema führten Lefö/Wien und maiz/Linz eine gemeinsame Kampagne durch, die den Titel SexarbeiterInnen haben Lust auf … ihre Rechte! trug.
In meiner Wahrnehmung gibt es vorwiegend zwei Gruppen von Generalisierungen zur Sexarbeit. Entweder, die Frauen 1 sind Opfer und ihnen muss durch Ausstiegshilfen geholfen werden. Oder die Frauen sind so lusterfüllt, dass sie geil auf Sex sind und ein leichtes Leben leben. Die Wahl dieses Titels der Kampagne sollte genau diesen beiden Realitätskonstruktionen eine selbstbewusste Alternative entgegenstellen, die wir aus unserer Erfahrung in der Arbeit von maiz als die Zutreffendste bezeichnen wüden. Der Film Princesas, der sowohl in Wien, als auch in Linz im Rahmen der Kampagne gemeinsam mit lokalen Kinos präsentiert wurde 2, hat das von maiz hierzulande wahrgenommene Bild zwischen Lust am Leben und Rechtlosigkeit in Spanien gezeichnet. In OÖ sind 92 % der Sexarbeiterinnen Migrantinnen, die trotz jahrelanger Tätigkeit in Österreich keine Niederlassungsrechte erwerben konnten und nun gemäß neuen Fremdenrechts per 1.1.2006 gar nicht mehr die Möglichkeit haben durch ein spezielles Visum für Showtänzerinnen und Prostituierte3 in Österreich zu arbeiten. Damit sind viele SexarbeiterInnen aus dem Land, in Ehen oder in die Illegalität getrieben worden und haben existenzielle Bedrohung erfahren. Lust auf Rechte heisst daher an erster Stelle die Veränderung des Fremdenrechts. Konkret sind in diesem Bereich eine Amnestie für die durch das Fremdenrechtspaket 2006 illegalisierten SexarbeiterInnen und die Schaffung einer Aufenthalts- und Niederlassungsmöglichkeit für migrantische SexarbeiterInnen gefordert.
Die Tabuisierung der Sexarbeit wird in Österreich nach wie vor über die rechtliche Zuordnung zur Sittenwidrigkeit widergespiegelt. Einer Tatsache, die sich als schizophren einordnen lässt, denn die Steuerpflicht und Sozialversicherungspflicht als Gewerbetreibende steht der Sittenwidrigkeit in Bezug auf die Klagsmöglichkeit für offene Forderungen aus der Sexarbeit nicht entgegen. Interessanterweise waren hierzu gerade in letzter Zeit politische Forderungen, z.B. von der ÖVPStaatssekretärin Marek, in der Öffentlichkeit wahrzunehmen. Ihrem Statement zufolge sollte die Prostitution als Arbeit anerkannt werden. Wie schlagkräftig dieser Vorstoss von politisch eher ungewohnter Seite sein mag, wird sich zeigen. Gefordert, im Sinne der Lust auf Rechte, ist die Entkoppelung des Regelungsbereichs der Prostitution aus den Sitten- bzw. Anstandsnormen und die konsequente Eingliederung in die Materien des Arbeitsrechts, der Gewerbeordnung und des Vertragsrechts. Die rechtliche Gleichbehandlung und Gleichstellung von SexarbeiterInnen mit anderen Erwerbstätigen braucht, wie in Deutschland bereits durchgesetzt, die Legalisierung der Prostitution als Erwerbstätigkeit. Sexarbeiterinnen erbringen sexuelle Dienstleistungen, die in jeder Gesellschaft eine wichtige Rolle einnehmen und nicht nur auf den Ebenen der Pflichten, wie das Zahlen von Steuern und Sozialver sicherungsbeiträgen abzuhandeln sind.
Die moralische Einzementierung der Auseinandersetzungen zum Thema hat in den vergangenen Jahren den AbolitionistInnen die Unterstützung geboten, dass die Vermischung von Prostitution-Frauenhandel-Gewalt Usus geworden ist. Es geht aber in Wirklichkeit ausschließlich um Zwangsprostitution, Frauenhandel und Opferschutzprogramme. Letztere sind übrigens gerade wegen der rechtlichen Situation, z.B. durch Illegalisierung, als unzulänglich zu bezeichnen.
Mit der Kampagne SexarbeiterInnen haben Lust auf … ihre Rechte fordern wir auch Schutz vor Gewalt. Aber im gleichen Atemzug damit verlangen wir Schutz vor Diskriminierung, Sexismus und Rassismus. All das geht davon aus, dass die Mehrheit der Frauen durchaus ihre Arbeit gewählt hat und Selbstbestimmung sowie rechtliche Gleichstellung im Mittelpunkt stehen müssen. Dabei geht es nicht um Ausstiegsprogramme.
Die Kampagne endete am 2. Juni 2007. Bereits am Freitag, 1. Juni fand eine große Abschlussveranstaltung am Alten Markt/Altstadt Linz statt. Tanzperformance, Post-Porno Modenschau, ein aphrodisierendes Buffet und mehr gab es dort zu hören, sehen und zu schmecken. Für alle, die Lust zu kommen hatten!
1Ich spreche hier von Frauen, weil maiz mit Sexarbeiterinnen arbeitet. Die Kampagne und daher auch das in weiterer Folge Beschriebene bezieht sich aber zumeist auch auf Männer in der Sexarbeit.
2Gemeinsame OÖ-Premiere mit Moviemento Linz am 17. März 2007, 19 Uhr
3So hiess das Visum bis 31.12.2005, mit dem Frauen in Österreich in der Sexindustrie einen Aufenthalt ohne Niederlassung für jeweils 6 Monate und anschl. Verlängerung (im Inland) erwirken konnten.
Mehr Infos zur Kampagne allgemein und dem Programm gibt es unter www.lustaufrechte.at. Eine Kampagne von Lefö/Wien (www.lefoe.at) und maiz/Linz (www.maiz.at) mit Unterstützung von thekla die Lobby für Frauen in Graz, Frauentreffpunkt Salzburg, Frauenberatungsstelle Oberpullendorf.
Ulrike Stieger ist Mitarbeiterin von maiz.