Gendermainstreaming – ein Placebo?

 

fragt Birge Krondorfer.

Gerade im Kulturbereich, der ja nicht von politischer Ökonomie zu trennen ist – muss die Ein- und Ausführung von Gendermainstreaming (GM) kritisch reflektiert werden. Zumindest dann, wenn „Kultur“ als umfassende symbolische Ordnung verstanden wird. So betrachtet leben wir in einer nach wie vor männerdominierten „Kultur“, die Frauen bestimmte ungleiche Plätze zuweist. Um nur einen eklatanten Befund zu benennen: Der Frauenarmuts-Bericht (von FEMM, Frauenausschuss des EU-Parlaments) stellte fest: „Das Armutsrisiko für Frauen sei wesentlich höher als für Männer. Die Gründe dafür sind wohl bekannt: Die Lohnschere zwischen Männern und Frauen beträgt durchschnittlich bis zu 33 Prozent.“ (aus: an.schläge Das feministische Magazin. 02/2006, S.19)

Es gilt also zu klären, ob GM geeignet ist, dieses Unrechtsverhältnis strukturell zu ändern. Im Grunde ist der Begriff selbst schon ein Paradox. Es soll etwas in den Hauptstrom gebracht werden, was dessen Voraussetzung ist, nämlich Geschlecht (gender) als vorgängige Kategorie aller Lebens- und Arbeitsbereiche unter dem Primat eines strukturellen Machtgefälles. Es wird so getan, als könne man das „Urbild“ durch sein „Abbild“ ablösen, bzw. als wäre es möglich, Ungleichheiten durch Gleiches (Vergleichung, Angleichung) aufzulösen. Offiziell klingt das so: „Hierbei geht es darum, die Bemühungen um das Vorantreiben der Chancengleichheit nicht auf die Durchführung von Sondermaßnahmen für Frauen zu beschränken, sondern zur Verwirklichung der Gleichberechtigung ausdrücklich sämtliche allgemeinen politischen Konzepte und Maßnahmen einzuspannen, indem die etwaigen Auswirkungen auf die Situation der Frauen bzw. der Männer … integriert werden.“ (aus: Mitteilung der EU-Kommission zur „Einbindung der Chancengleichheit in sämtliche politische Konzepte und Maßnahmen der Gemeinschaft“)

Häufig wird unter GM-strategie sogar die gleichmäßige Berücksichtigung der unterschiedlichen Bedürfnisse von Frauen und Männern verstanden – ohne zu sehen, daß die schlechte Empirie damit zementiert wird. Bspw. wird statistisch festgestellt, daß Frauen Teilzeitarbeit bevorzugen. Wie erstaunlich, wenn Frauen als Mütter für die Reproarbeit zuständig sind.

Anhaltende Fragen
GM ist: Wissenschaftlich kaum ausgelotet, als Querschnittsthema in jedem EU-Projekt vorgeschrieben, von der offiziellen Politik aufgegriffen, von der Wirtschaft teilweise begrüßt, von Feministinnen kritisiert. Ist diese versuchte Regulierung eines gleichzustellenden Geschlechterverhältnisses ein Fortschritt, oder trägt diese als top-down-Strategie (und damit tendenzieller Annullierung von Frauenprojekteförderung) einem gesamtgesellschaftlich zu beobachtenden „backlash“ Rechnung? Was bedeutet es, wenn GM hauptsächlich innerhalb bestehender Institutionen, Organisationen und Projekten gefordert und gefördert wird, wenn gleichsam die alltägliche (nicht nur Familien)Praxis auf der unbezahlten Reproduktionsarbeit von Frauen basiert? Was bedeutet es, wenn eine im öffentlichen Diskurs erscheinende Gleichzeitigkeit von Neoliberalismus und Prekarisierung mit dieser Form von Geschlechterpolitik feststellbar ist? Was bedeutet es, wenn in den GM-konzepten von dem Unterschied (den unterschiedlichen Rollen) der Geschlechter die Rede ist – zu einer Zeit, wo es Queer- und Transgenderkonzepte gibt? Ist es nicht so, daß GM deutlich auf der Ideologie des heterosexuellen Paars (aufgeblasen auf alle gesellschaftlichen Gebilde) beruht und damit alle anderen Formen von (Arbeits-)Organisation, Politik und Leben aus sich ausschließt? Geht es um die Schein“er“lösung der alles und jede/n durchziehenden Gewaltverhältnisse? Begriffe wie Entfremdung, Kritik, Solidarität, Ausbeutung, Unterdrückung, Opfer – sie scheinen wie abgetrieben im Mainstream.

„Unter dem Druck neoliberaler Restrukturierung wird Gender Mainstreaming zunehmend als ein Instrument der Organisationsentwicklung aufgefasst und Gleichstellung damit zu einem Problem von zu optimierenden Verwaltungsabläufen umdefiniert. Verfolgten internationale Frauennetzwerke mit GM ursprünglich die Einflussnahme auf makroökonomische Rahmenbedingungen, droht heute das Konzept zu einem Instrument der Anpassung von Frauen an die Erfordernisse spätkapitalistischer Produktion zu verkommen.“ (aus: Tove Soiland: Manuskript zur Tagung der Frauenhetz „Nachrichten aus Demokratien“, Oktober 06)

Wie hieß es doch? „Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom.“

Birge Krondorfer: Frauenhetz-Wien, u.a. Lehrbeauftragte, Autorin, z,Z. sog. GM-beauftragte des Equalprojekts WIP)