Über Studiengebühren und blöde Ideen weiß Hanna Schatz zu berichten.
Diese Fragen stellte die IG Kultur Österreich am 23. Jänner zur Debatte um die Refundierung von Studiengebühren für ehrenamtliche Tätigkeiten.
Jetzt – sechs Wochen später – ist diese Debatte keine besonders breit geführte. Gerade nicht aktuell in dem Sinne, dass sie in sämtlichen Medien Platz findet. Dort ist sie verschwunden, die Debatte und mit ihr das Thema. Ausdiskutiert, durchgestanden?
Die Studiengebühren sind es jedenfalls nicht. Von Anfang an und im Herbst 2006 ganz besonders laut dagegen ausgesprochen hat sich die SPÖ. Studiengebühren abschaffen! Was im Wahlkampf vollmundig versprochen, wurde schließlich nicht gehalten. Die SPÖ zu schwach, Kniefall vor der ÖVP, Gusenbauer wollte halt Kanzler werden. Zu jedem Preis. So und so ähnlich die Erklärungsversuche der anderen. Gusenbauer selbst, feierte einen Erfolg: Die de facto Abschaffung der Studiengebühren! Niemand müsse zahlen. 60 Stunden „Sozialarbeit“ gingen auch. Großartig!
Entsprechend überschwänglich der Applaus aus allen Richtungen. In regelrechte Begeisterungsstürme verfallen sind die SozialarbeiterInnen, die nun wissen: 6 Euro die Stunde sind genug für ihre Arbeit und Ausbildung braucht es auch keine. Ein bisserl pflegen und betreuen kann eh ein jeder.
Schnell zurückgerudert. Ganz so gemeint war’s eh nicht. Zweiter Anlauf: Nachhilfe sollen sie geben, die Studierenden. Kinder unterrichten kann ja nun wirklich ein jeder! Der Kanzler macht’s vor. Einmal wöchentlich in einer Wiener Schule. Der Wiener Landeschulrat prüfte, ob er das auch darf, die Niederösterreichischen LehrerInnen zeigten ihre Freude: „Entschieden und mit Nachdruck“ sprachen sich deren Vertreter dagegen aus, „dass unqualifizierte Personen ohne jegliche pädagogische Ausbildung unseren Schülerinnen und Schülern Nachhilfeunterricht erteilen.“ Weil: „Wir Pflichtschullehrerinnen und Pflichtschullehrer brauchen keinen Gusenbauer als Nachhilfelehrer.“ Auch eher Bauchlandung als großer Wurf.
Sozialarbeit und Nachhilfe also nicht so gut. Was dann? Im Regierungsprogramm steht: „Dazu kommt die Möglichkeit dass künftig bestimmte gemeinnützige, unentgeltliche Tätigkeiten im Ausmaß von 60 Stunden im Semester eine Refundierung der Studienbeiträge bewirken. Hierbei wird besonders an Beutreuungs- und Unterstützungsleistungen im Rahmen des Schulwesens und an Tätigkeiten im Rahmen neuer sozialer Herausforderungen (Hospiz-Bewegung u.ä.) gedacht.“
Abgeblitzt bei den konkret angesprochen. Entsprechend vielfältig die Vorschläge der anderen. Sportverbände, Rotes Kreuz, Blasmusikvereine, Freiwillige Feuerwehr und auch der Österreichische Cartellverband (ÖCV), haben sich rasch zu Wort gemeldet und fordern Befreiung für ihre Mitglieder, für deren wertvollen Dienst an der Gesellschaft. Auch wenn ÖCV- Präsident Keibel meint, er und seine Bundesbrüder hätten wie andere Katholische Organisationen sehr viel für das Land geleistet, gibt es sicher welche, die gerade diese Leistungen nicht ganz so großartig finden. Es wird sogar welche geben, die meinen, die Gesellschaft wäre ohne sie, die Männerbünde, besser dran. Schon bei der Frage, ob der gesellschaftliche Beitrag des ÖCV mit jenem anderer katholischer Organisationen, wie der Caritas vergleichbar ist, werden sich, könnte ich mir vorstellen, die Geister scheiden.
Wenig verwunderlich ist, dass die Wirtschaft auf den Zug aufspringt, weil sie neue, billige Arbeitskräfte ortet. „Wenn man den Studenten eine ersatzweise Arbeit für die Studiengebühren abverlangen will, warum dann nicht in den Unternehmen“, meinte Karl Ramharter, Vizepräsident der Wiener Wirtschaftskammer. Gerade kleinere Betriebe würden sich über die 6 Euro Kräfte freuen, glaubt er. Ja, dann… Wir wissen ja: Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut. Ein konkretes Angebot gibt’s derweil von der Ottakringer Brauerei. Studierende sollen der Belegschaft Nachhilfe in Sprachen oder Fachthemen geben. Die Brauerei würde Räumlichkeiten und Getränke zur Verfügung stellen. Prost!
So richtig erfreulich ist das ganze wohl nur für die ÖVP. Nicht nur, weil die SPÖ mit blöden Ideen an Stelle der Einlösung von Versprechen an Wählergunst verliert. Minister Hahn freut sich in einem Standard- Interview, dass die SPÖ hier eine „jahrelange Philosophie der ÖVP teilt“. Weil das ganze „ist eine völlige Neudimension, der Bürgergesellschaft Raum zu geben.“ Der Staat zieht sich zurück. Überträgt Verantwortung und Zuständigkeiten an seine BürgerInnen. Und hier, gleich klargestellt: Besonders für „neue soziale Herausforderungen“ sind der Bürger und die Bürgerin zuständig. Nicht der Staat. Der Einzelne und die Einzelne im Dienste der Gemeinschaft. Ehrenamtlich unentgeltlich, selbstverständlich. Und was gibt’s Schöneres, als Frauen, die für ein Kinderlächeln arbeiten?
Irgendwie grauslich das alles. Und hoffentlich nicht durchgestanden, sondern solange weiterdiskutiert, so lange es sie gibt: die Studiengebühren und die blöden Ideen.
Hanna Schatz lebt und arbeitet in Linz